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Bundesliga: Werder stößt an seine Grenzen

Werder Bremen erlebt eine grauenhafte Woche. Erst kam das Aus im Uefa-Cup, dann vergaben die Grün-Weißen nach der Pleite der Bayern die Chance auf die Rückkehr ins Titelrennen. An der Weser läuten die Alarmglocken. Die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf läuft sogar Gefahr, die Qualifikation für die Champions League zu verspielen.

Die gezeigte Papptafel im Bremer Weserstadion drückte großen Optimismus und natürlich auch viel Wunschdenken aus. "Bayern, wir kriegen euch", stand auf dem handbemalten Schild. Spätestens nach den 90 Minuten des Bundesligaspiels zwischen Werder Bremen und dem VfL Wolfsburg ist klar, dass der Spruch mit der Realtität nicht mehr viel gemein hat. Werder verlor sein Heimspiel mit 0:1, und anstatt den Rückstand auf Tabellenführer Bayern München zu verringern, rutschten die Grün-Weißen auf Rang vier ab. Jetzt kann es primär nur noch darum gehen, den Startplatz für die Champions League zu sichern, aus dem Titelrennen hat sich Werder verabschiedet. "Unser erster Gedanke gilt der Qualifikation für die Champions League. Und dafür steht der zweite Rang im Vordergrund", sagte auch Manager Klaus Allofs. In der aktuellen Verfassung dürfte dies allerdings schwer werden.

Das verlorene Spiel gegen Wolfsburg, die dritte Heimpleite der Saison und bereits die vierte Niederlage in der Rückrunde, war der traurige Höhepunkt einer verkorksten Werder-Woche. Am vergangenen Wochenende setzte es das 3:6-Debakel in Stuttgart, dann folgte am Donnerstag das Aus im Uefa-Cup gegen die Glasgow Rangers. "Das war nicht unsere Woche", stöhnte Kapitän Frank Baumann nach der Begegnung gegen die Wolfsburger, die fatal an die vorausgegangenen Partien erinnerte. Werder betreibt viel Aufwand, ist bemüht, aber am Ende vom Glück und Erfolg verlassen.

Gegentor eine Kopie von Stuttgart

Das Gegentor des VfL-Stürmers Grafite fiel durch einen Konter nach einem Bremer-Eckball. Das gleiche Malheur war den Hanseaten schon in Stuttgart unterlaufen. "So ein Gegentor darf nicht passieren", kritisierte Kapitän Baumann, "schon gar nicht das zweite Mal in einer Woche." Die Anfälligkeit bei schnellen Gegenangriffen der Gegner ist allerdings nur die halbe Wahrheit der Bremer Misere. "A lack of deadliness in front of the goal", hatte die schottische Zeitung "Scotsman" nach dem erfolglosen Bremer Sturmlauf gegen die Rangers aus Glasgow geschrieben und den fehlenden Killerinstinkt vor dem Tor gemeint. Oder wie es Werder-Trainer Thomas Schaaf fast schon verzweifelt ausdrückte: "Wir machen einfach die Bude nicht."

Dieses Missverhältnis zwischen vielen Chancen und zu wenig Toren wurde zuletzt deutlich. Die Bremer Stürmer sind in der Liga zwar überdurchschnittlich gut, doch im Vergleich zu früheren Angreifern muss festgehalten werden: Hugo Almeida, Markus Rosenberg oder Boubacar Sanogo sind keine echten Torjäger. Ailton war im Meisterjahr 2004 ein Knipser vor dem Herrn, traf 28 Mal. Miroslav Klose steuerte 2006 25 Treffer bei. Von solchen Quoten sind die aktuellen Angreifer weit entfernt.

Bremer Abwehrschwäche

Ein weiterer Grund für das Bremer Tief ist die bereits erwähnte Abwehrschwäche. In den letzten vier Jahren kassierte Werder 38, zweimal 37 und 40 Gegentreffer. Ein unter Spitzenteams normaler Wert. Jetzt hat die Mannschaft in 24 Partien bereits 35 Tore kassiert - das ist eindeutig zu viel. Den Abfangjäger vor der Abwehr sollte Torsten Frings spielen, der ist aber verletzt. Sein Vertreter Baumann fällt auch öfters mal aus. Bleibt noch Daniel Jensen. Der Däne macht seine Sache ganz gut, ist aber kein gleichwertiger Ersatz für Frings. Auf dieser im modernen Fußball so wichtigen Position könnte Werder gut einen Spieler der Marke Jermaine Jones (Schalke) oder Nigel de Jong (HSV) gebrauchen.

Auch auf den defensiven Außenbahnen tummeln sich nicht gerade Hochkaräter. Wenn Pierre Womé, Dusko Tosic, Patrick Owomoyela oder Petri Pasanen ihre Gegner laufen lassen, wird es für die Innenverteidiger Per Mertesacker und Naldo eng. Trainer Schaaf hofft deshalb auf eine baldige Rückkehr von Nationalspieler Clemens Fritz. Youngster Sebastian Boenisch hat zudem bereits gute Ansätze auf der linken Abwehrseite gezeigt.

Schaaf: "Wir heulen nicht rum und beschweren uns."

Ein Problem, das sich bei Werder wie ein roter Faden durch die Saison zieht, sind die vielen Spielerausfälle. Gegen Wolfsburg waren Diego, das Herz der Bremer Mannschaft, und Verteidiger Mertesacker gesperrt. Zudem musste Tim Borowski verletzungsbedingt zum wiederholten Male passen. Frings und Womé fallen bekanntlich noch länger aus. "Wir heulen nicht rum und beschweren uns", sagte Trainer Schaaf, "aber dass es dadurch nicht leichter wird, ist klar." Auch Werder-Manager Klaus Allofs klagte: "Wir stoßen langsam an unsere Grenzen. Es war ein angstrengendes Programm in den vergangenen Wochen. Den Spielern fehlt es an der geistigen Frische."

Insgesamt scheinen die Bremer in dieser Spielzeit an ihre Grenzen zu stoßen. Früher steckte der Traditionsverein von der Weser die permanenten Abgänge von Leistungsträgern wie Ailton, Johann Micoud oder Klose weg. Klaus Allofs zauberte immer wieder Spieler wie Valerien Ismael, Mladen Krstajic oder jetzt auch Diego aus dem Hut, die sich im Bremer Biotop prächtig entwickelten. Doch eben jene Typen mit Siegermentalität fehlen nun.

Durchschnitt auf den Ergänzungspositionen

Außerdem ist Werder etwa im Vergleich zum FC Bayern auf den Ergänzungspositionen dünn besetzt. Baumann, Owomoyela, Jurica Vranjes oder Aaron Hunt sind gefällige Spieler, doch wenn es hart auf hart kommt, sind sie weniger zu gebrauchen. Kein Wunder: Die Münchner gaben vor der Saison 72 Millionen Euro für Personal aus, Werder nur 16 Millionen Euro.

Verzweiflung macht sich in Bremen wegen der derzeitigen Schieflage freilich nicht breit. Kapitän Baumann richtet den Blick auf die kommenden Aufgaben: "Wir müssen jetzt wieder zu Kräften kommen. Die Verletzten und Gesperrten kehren nun langsam zurück und dann greifen wir wieder neu an."

Matthias Bossaller

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