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Der Engländer Judd Trump hat im Finale Neil Robertson geschlagen.

© imago images/Contrast

Bundestrainer Thomas Hein im Interview: „Deutschland ist snookerverrückt“

Der Snooker-Bundestrainer spricht über die German Masters in Berlin – und die deutschen Aussichten in naher Zukunft.

Thomas Hein, 54, war deutscher Snookermeister und arbeitet jetzt als Bundestrainer und Sportdirektor. Außerdem ist er selbst noch bei den Senioren aktiv und ist als TV-Experte tätig.

Herr Hein, Fans aus ganz Deutschland strömten bis zum Sonntag wieder zu den German Masters im Berliner Tempodrom oder schauten im Fernsehen zu. Wie stehen die Chancen, dass aus dem TV-Boom mal ein Aktiven-Boom wird?
Snooker ist seit über zehn Jahren ein unfassbar präsenter TV-Sport, und die Menschen, die das verfolgen, nutzen natürlich das einzige deutsche Ranglisten-Turnier sowie den Hype darum. Die Zahl derer, die selbst aktiv am Tisch stehen, ist dagegen überschaubar. Man hatte gehofft, dass durch einen Deutschen auf der Main Tour mehr Menschen aktiv zum Queue greifen. Nachdem das ein paar Mal tatsächlich passiert ist, haben noch keine Busse mit Interessierten vor den Snooker-Clubs angehalten.

Welche Perspektive hat da der 22-jährige Berliner Simon Lichtenberg, der 2018 als U-21-Europameister für zwei Jahre in die Prestigeserie der Main Tour aufgenommen wurde?
Simon hat die Quali für Berlin nicht gepackt. Es ist ein unglaublich weiter Weg in die absolute Spitze. Er hat schon ein wettbewerbsfähiges Spiel, aber zum Verbleib bedarf es jetzt noch einer Top-Platzierung. Aber auch er ist in einer dualen Karriere und studiert parallel. Sollte es mit dem Verbleib auf der Main Tour nicht klappen, liegt die Entscheidung darüber, ob er noch mal angreift, bei ihm.

Bundestrainer Thomas Hein.
Bundestrainer Thomas Hein.

© promo

Vor Lichtenberg gab es schon einige deutsche Youngster an der Tour zuletzt Lukas Kleckers, davor Lasse Münstermann und Patrick Einsle. Was hat denen gefehlt, um sich dauerhaft zu etablieren?
In Deutschland gibt es nur den Amateursport mit der Zielausrichtung World Games. Wer sich für die Main Tour der Profis qualifiziert, ist auf dem neuen Niveau ein einsamer Mensch. Er ist ab sofort nicht mehr Mitglied des Verbandes, wird aus der Struktur entlassen. Lukas Kleckers ist aktuell top und steht in der Challenge Tour (Nachrückserie für die Main Tour, d. Red.) an zweiter Stelle. Somit besteht die Chance, schwupps wieder dabei zu sein.

Wie sehen Sie denn die aktuelle Lage des Snookersports und seine Perspektive?
Billard wird in Deutschland von 16.000 organisierten Spielern betrieben, 2000 davon spielen Snooker. Davon machen zehn bis fünfzehn den harten Kern der Spitzensportler aus. Diese wollen alle auf die Main Tour und geben alles dafür. Letztlich kämpft man aber auch in England gegen die Masse und Qualität aus China.

Das hört sich beinahe so an, als sei es unmöglich, da reinzukommen?
Es gibt tatsächlich nur wenige Plätze und Wege, sich zu qualifizieren. Wir bekommen keine Sporthilfe und haben keine Sportsoldaten, das ist den olympischen Disziplinen vorbehalten. Unsere Jungs stehen in Beruf oder Studium, und zwar Vollzeit. Spitzenleistung geht aber nur über Sponsoring und strukturelle Optimierung, und die wäre in Deutschland dringend notwendig.

Trotzdem hält der TV-Boom auch ohne deutsche Topstars offenbar an.
Deutschland ist in der Tat snookerverrückt. Die 2000 Leute im Tempodrom kommen ja nicht nur aus Berlin. Wir haben bundesweit ein Netzwerk mit Trainingsangeboten für TV-Zuschauer, und die rennen uns die Bude ein. Dazu sind auch die meisten Exhibition-Termine hierzulande sehr gut besucht.

Die Stars schwärmen bei jeder Gelegenheit von den hiesigen Zuschauern. Ist das nur Höflichkeit?
Diese Aussage hört man übers Jahr öfter. Aber das deutsche Publikum ist schon etwas Besonderes. Fakt ist: Deutschland liegt für die meisten Profis nur eine Flugstunde entfernt, hier finden sie auf dem Kontinent die größte Begeisterung – wenn auch nicht das höchste Preisgeld. China ist lukrativer, aber anders. Da wird in Riesenhallen der rote Teppich ausgerollt. Wenn dann die ersten Bälle geschossen werden, ist aber keiner mehr da.

Was genau macht es in Berlin so faszinierend?
Es ist das Gesamtpaket. Mit Rolf Kalb, der Stimme von Eurosport, als Moderator. Dazu hat eine Stadt wie Berlin viel zu bieten. Und eben das Tempodrom mit diesem Publikum: Das macht den Spielern schon richtig Laune. So toll ist weltweit kein zweites Publikum.

Diesmal standen mit Judd Trump und Neil Robertson zwei Topstars im Finale. In den vergangenen Jahren konnten aber auch immer wieder Außenseiter gewinnen. Das Tempodrom ist aber unabhängig davon immer voll. Wie kommt das?
Berlin ist dafür bekannt, dass es hier viele überraschende Sieger gab. Dafür spricht auch das Setup mit fünf Tischen. Es wird ja irgendwann sehr anstrengend, pro Tag viele Matches zu absolvieren. Gemütlich wird´s da erst am Finaltag. Und wenn einer der Stars nicht antritt, gibt da keiner seine Karten zurück - man geht mit den Jungs mit, die am Tisch stehen, egal wer das ist. Auf diese Fans können wir stolz sein.

Wann aber darf sich der Nationaltrainer und Sportdirektor Snooker mal richtig freuen? Wo kommen seine Erfolgserlebnisse her?
Ich liebe dieses Spiel, sein Studium geht nie zu Ende. Außerdem faszinieren mich meine Jungs, die sind mit Leidenschaft und Herzblut dabei. Natürlich würde ich die Welt gern verändern, aber ich muss im Hier und Jetzt leben. Und wenn ich etwa sehe, wie Lukas Kleckers sich gerade entwickelt – das ist mein Erfolgserlebnis. Wir haben viel mehr erreicht als es gemessen an den Möglichkeiten zu erwarten war.

Bertram Job

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