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Auf dem Rücken der Fans. In kürzester Zeit ist der stürmische Trainer Jürgen Klopp in Dortmund zur Ikone aufgestiegen. Foto: Reuters

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BVB: Dortmunder Zentrum für Jugendkultur

Die Borussia entging durch forcierte Nachwuchsarbeit der Pleite – und will das erfolgreiche Geschäftsmodell auch als Meister fortführen.

Forschen Schrittes betritt Hans-Joachim Watzke das Bistro im Dortmunder Süden, legt seine Sonnenbrille auf den Tisch, bestellt einen Cappuccino und zündet sich einen Zigarillo an. Dortmunds Geschäftsführer ist braun gebrannt, er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und beginnt, über seinen Verein zu berichten. Kein Zweifel, dieser Mann ist mit sich und der Welt im Reinen. Das kann er auch, schließlich haben der 51-Jährige und seine Mitstreiter die größte Erfolgsgeschichte geschrieben, die der deutsche Fußball derzeit zu bieten hat. Es ist gerade mal sieben Jahre her, da war Borussia Dortmund, der Champions-League-Sieger von 1997, ein sterbenskranker Patient. „Wir lagen im Vorzimmer der Pathologie“, pflegt Watzke über den damaligen Zustand seines Klubs zu sagen, der durch größenwahnsinniges Management an den Rand der Insolvenz gewirtschaftet worden war. Seitdem hat der Traditionsklub eine wundersame Wandlung hinter sich.

Auferstanden aus den finanziellen Ruinen präsentiert sich die Borussia im Frühling dieses Jahres vitaler denn je. Der BVB kann schon heute den siebten Meistertitel der Vereinsgeschichte in die größte Stadt des Ruhrgebiets holen, wenn er selbst in Mönchengladbach siegt und Leverkusen gegen Hoffenheim nicht gewinnt. Dabei zeigt er auch den schönsten Fußball der Liga, mit der jüngsten Mannschaft, der es im deutschen Fußball jemals gelungen ist, den Titel zu holen.

Als einer der Baumeister dieses epochalen Erfolges darf sich Watzke feiern lassen. Ein Umstand, der ein Lächeln auf das Gesicht des Machers zaubert, wenn er die letzten Jahre Revue passieren lässt. „Ich bin einfach begeistert, was Michael Zorc und ich seit 2007 hier aufgebaut haben.“ Zorc ist der Sportdirektor des Klubs, als Spieler hat er mit dem BVB den Pokal, die Meisterschaft, die Champions League und den Weltpokal geholt. Dieser Mann gilt als ein Muster an Vereinstreue, weil er seit mehr als 30 Jahren nur für diesen einen Verein tätig ist. Gemeinsam hat das Duo Watzke/Zorc die Entscheidung getroffen, den Weg der Konsolidierung mit einer jungen Belegschaft zu wagen. Diese strategische Ausrichtung ist nicht revolutionär, es hat sie auch schon andernorts gegeben. Doch mit dieser Konsequenz ist sie in der Bundesliga nie zuvor umgesetzt worden.

Mit Jürgen Klopp haben die beiden Macher einen Trainer gefunden, der das Führungstrio in idealer Weise ergänzt. Weil er das, was Watzke und Zorc auf dem Reißbrett entwerfen, mit maximaler Überzeugungskraft umsetzt. Längst ist aus dem kollegialen Verhältnis der drei Dortmunder Gestalter eine tiefe Freundschaft gewachsen. Gemeinsam haben sie eine Entwicklung angestoßen, die für den Fußball hierzulande beispielgebend ist. Er habe immer die Überzeugung gehabt, etwas Gutes zu gestalten, sagt Watzke, „aber nie erwartet, dass es so nach vorne geht. Dafür sind Michael Zorc und ich viel zu sehr westfälisch geerdet. Unsere kühnsten Träume sind weit übertroffen worden.“

Watzke, der im sauerländischen Marsberg eine erfolgreiche Firma für Schutztextilien aufgebaut hat, bevor er sich bei Borussia Dortmund als Sanierer bewährte, kann bei seinem Klub mittlerweile wieder ansehnliche Beträge investieren. Mindestens 20 Millionen Euro netto wird die Teilnahme in der Champions League in die Kasse bringen, von denen ein Viertel in das größte deutsche Stadion und ein weiteres Viertel in die Schuldentilgung gesteckt werden. Bleiben zehn Millionen, die der Geschäftsführer für das kickende Personal ausgeben will. Zum einen, um den Kader für die zusätzlichen Aufgaben breiter aufzustellen, zum anderen, weil der Personaletat durch steigende Bezüge von knapp 35 auf 40 Millionen Euro ansteigen wird.

Das alles hält sich im Rahmen, weil sie sich in Dortmund davor hüten, in die Fehler der Vergangenheit zurückzufallen, als sie das Geld mit vollen Händen unter die Leute brachten. „Es ist ein Experiment, das wir hier erleben“, sagt Watzke. „Seitdem wir hier das Sagen haben, lautet unsere Headline: Wir wollen den maximal möglichen Erfolg, ohne einen Euro neue Schulden zu machen. Dieser Maxime müssen sich alle verpflichten, die hier arbeiten.“ Dabei ist die radikale Verjüngung längst nicht mehr aus der Not geboren, sondern zur Dortmunder Philosophie geworden, von welcher der Klub auch als Global Player nicht abweichen will. „Wir machen das nicht aus romantischer Verklärung“, sagt Watzke, „für uns ist das ein erfolgreiches Geschäftsmodell.“

Die Spieler des Klubs füllen diese These mit Leben: Nuri Sahin kam als Kind zum BVB und feuerte seine Helden als Balljunge an, mittlerweile wird der Türke aus Meinerzhagen mit dem Weltklub Real Madrid in Verbindung gebracht. Für Shinji Kagawa bezahlten die Dortmunder eine Ausbildungspauschale von 350 000 Euro, nach einem halben Jahr in der Bundesliga besitzt der Japaner einen Marktwert im zweistelligen Millionenbereich. Götze, Schmelzer, Subotic oder Hummels – die Liste der Spieler, die im Revier zu hoch dotierten Anlageobjekten veredelt wurden, ist lang.

Die Macher bestätigen all diese Beispiele darin, ihrem Handeln weiter treu zu bleiben. „Es hat bei Borussia Dortmund in den letzten Jahren vieles nicht gegeben“, sagt Hans-Joachim Watzke. „Die Bereitschaft, mutige Entscheidungen zu treffen, gehört nicht dazu.“

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