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Sport: Catenaccio am Brett

Boris Gelfand überrascht bei der Schach-WM

Berlin - Zur Halbzeit der Schach-WM in Mexiko liegen die beiden ältesten Teilnehmer vorn. Nach sieben Runden führt der Inder Viswanathan Anand (5 Punkte) vor Boris Gelfand (4,5). Von Anand, 37, hatten es viele erwartet, von Gelfand, 39, kaum einer. „Ich denke hier nur von Partie zu Partie“, sagt Gelfand gelassen. Doch wie anstrengend Schach sein kann, sieht man ihm an, wenn er, die Hose wie immer auf Bauchnabelhöhe gezogen, seine im Haar vergrabenen Finger das von stundenlanger Kopfarbeit gerötete Haupt stützen. Der beliebte Grübler hat sein tiefgründiges Spielverständnis einst in der sowjetischen Schachschule erworben; Gelfand wuchs in Minsk auf, mittlerweile ist er israelischer Staatsbürger und lebt in Rishon le Zion.

In Mexiko startete er mit vier Remisen. Das sei auf diesem Niveau ganz normal. „Im italienischen Fußball enden die Spiele doch auch oft 0:0 – weil dort die Besten spielen“, sagt Gelfand. Ob Fußball oder Schach, überall gelte, je höher das Niveau, desto höher der Widerstand. Gelfand hat die Experten verblüfft: Zuvor war er mit Schwarz gegen 1.e4 meistens dem scharfen Najdorf-System treu geblieben. Übertragen in die Fußballer-Sprache heißt Najdorf-System ungefähr: hinten Dreierkette, vorne drei Stürmer. Doch diesmal betonierte Gelfand seine Defensive nach Catenaccio-Art, wählte schon dreimal die russische Verteidigung.

Beflügelt von diesen schwarzen Teilerfolgen überspielte er als Weißer in den folgenden Partien Levon Aronjan und Alexander Morosewitsch, die ursprünglich höher eingeschätzt wurden. Gelfand scheint fest entschlossen, um seine wohl letzte Titelchance zu kämpfen. Zu Beginn der Rückrunde eröffnete er gestern gegen Viswanathan Anand wieder mit Weiß – die Partie lief bei Redaktionsschluss noch. Martin Breutigam

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