zum Hauptinhalt

Sport: Champion mit Zukunft

Wladimir Klitschko verteidigt seinen WM-Titel in New York erfolgreich – nur Ali geht vorher

Mit einem Schlag hat sich Wladimir Klitschko den Ritterschlag des Madison Square Garden geholt. Und höchstes Lob von Lennox Lewis: „Wladimir folgt großen Fußspuren – meinen.“ Die Art, wie der Weltmeister im Schwergewicht (IBF-Version) mit Calvin Brock Schluss machte, imponierte nach enttäuschenden Runden. Mit dem Wunsch, das Jubiläum seines fünfzigsten Profikampfes erstmals als Hauptattraktion im Mekka des Boxens zu feiern, hatte sich der Herkules aus Kiew eine schwere Last auf die breiten Schultern geladen. Der Mythos der legendären Arena hatte seine stattlichen Muskeln völlig verkrampft.

Der jüngere Klitschko stand unter Hochspannung, die sich in der siebten Runde entlud: Mit einem wuchtigen rechten Haken nach einer steifen linken Geraden legte Klitschko den bis dahin unbesiegten Amerikaner flach auf den Bauch. Bei „acht“ stand Brock zwar wieder, aber auf derart wackligen Beinen, dass Ringrichter Don Ackerman nach 2:10 Sekunden dieser Runde den Kampf abbrach.

Lewis, am Ring Kommentator von HBO, geriet ins Schwärmen: „Wladimir fing langsam an, hat sich aufgewärmt und sah dann großartig aus.“ Der massig gewordene einstige Champion prophezeite dem 30-Jährigen eine „rosa Zukunft“. Er sei der Beste. „Und das sollte Wladimir von jetzt an auch von sich behaupten, und nicht ständig erklären, erst müsse er die anderen Weltmeister schlagen.“

Es war schon erstaunlich, welche Schwierigkeiten der Titelverteidiger mit dem zappeligen Stil seines Gegners hatte. Ganz der „Boxing Banker“, wie er sich nennt, wirkte Brocks Oberkörper weich und schlaff gegen die wie gemeißelte Statur Klitschkos. Es dauerte bis zur fünften Runde, bis der Favorit begann, mit seinem linken Jab den Kampf zu diktieren. In der sechsten Runde zog sich Klitschko dann auch noch eine Platzwunde an der linken Augenbraue durch einen Kopfstoß Brocks zu.

„Ich habe Fehler gemacht“, sagte der Sieger. „Ich wollte alles perfekt machen, habe aber zu lange gebraucht, die richtige Distanz und die richtigen Schläge zu finden.“ Das Ergebnis stimmt. Was will Wladimir Klitschko mehr? Ein K. o. korrigiert alles. Schon vor Ort, bei der Pressekonferenz, forderte Shannon Briggs, seit einer Woche Weltmeister der WBO, Klitschko zum Vereinigungsduell heraus, warf ihm lauthals vor, gekniffen zu haben. „Ich sollte heute hier gegen dich kämpfen.“ Es kam zum Disput, Klitschko am Mikrofon, Briggs in den Pressereihen. „Unser Angebot haben deine Anwälte abgelehnt.“ – „Lügner“, schrie Briggs: „Du hast lieber gegen einen Banker als gegen einen Fighter gekämpft, um dieses Ergebnis zu bekommen und nicht k.o. zu gehen.“

Unabhängig davon, ob Klitschko nun gegen Briggs, Oleg Maskajew (WBC) oder Valeri Walujew (WBA) kämpft, wird der nächste Kampf im Frühjahr in Deutschland stattfinden.

Wladimir Klitschko ist aber auch in New York eine Attraktion. Nicht nur für deutsche Promis wie die hochschwangere Franziska van Almsick, Joschka Fischer, Thomas Gottschalk oder Boris Becker. „Wladimir hat bewiesen, dass er 14 000 Zuschauer in den Garden bringen kann“, sagte sein einst schärfster Kritiker, Larry Merchant vom Bezahlsender HBO. „Das schaffen die anderen Schwergewichtsmeister nicht. Mein Respekt vor ihm nach seinen Desastern ist wieder gestiegen. Er ist zurzeit der Beste.“

Am Ende freute sich Wladimir Klitschko auch, „dass Muhammad Ali da war. Ich weiß aber nicht, ob er meinen Kampf gesehen hat.“ Hat der „Größte“ nicht. Keine Runde mehr als die vier, die seine Tochter Laila brauchte, um Shelley Burton k.o. zu schlagen, waren dem von der parkinsonschen Krankheit schwer gezeichneten Idol zuzumuten. Wegen Wladimir Klitschko stellte seine Frau Lonnie dieses erschütternde Bild in der ersten Ringreihe vom zitternden, siechen einstigen Champion nicht länger zur Schau.

Seite 27

Hartmut Scherzer[New York]

Zur Startseite