zum Hauptinhalt
 Ein Beamter des Landeskriminalamtes (LKA) untersucht in der Nacht nach dem Anschlag, den Mannschaftsbus der Fußballmannschaft von Borussia Dortmund, der von drei Splitterbomben getroffen wurde.

© Marcel Kusch/dpa

Champions League: Borussia Dortmund: 18 Monate nach dem schrecklichen Knall

Eineinhalb Jahre nach dem Attentat auf den BVB-Mannschaftsbus kommt es wieder zum Spiel zwischen dem BVB und AS Monaco. Die Erinnerung ist allgegenwärtig.

Irgendwo ist immer noch Licht im Dunkel. Auch in Dortmund brennt am 11. April 2017 eine Kerze, sie steht im Wohnzimmer von Stefan Kilmer. Ein großer Mann mit vollem Bart, er schickt am späten Abend ein Selfie in die virtuelle Welt. Es zeigt Kilmer und vier junge Männer, wie sie am Küchentisch sitzen und Nudeln essen. Sie wollten eigentlich ein Fußballspiel anschauen. Champions League, Viertelfinal-Hinspiel, Borussia Dortmund gegen AS Monaco. Daraus aber wird nichts, weil kurz nach der Abfahrt des Dortmunder Mannschaftsbusses drei Bomben explodieren. Panik macht sich breit, erst im Bus, dann in ganz in Dortmund. Das Spiel wird abgesagt.

Vor dem Stadion verharren ratlose Fans, darunter viele Franzosen, die gleich nach dem Spiel nach Hause fahren wollten. Bald spricht sich herum, dass das Spiel schon am nächsten Tag nachgeholt werden soll. Spontan bieten die Dortmunder via Internet Übernachtungsplätze an.

Auf diesem Weg landen vier Männer aus dem Pariser Umland an Kilmers Tisch, die Nacht verbringen sie auf einem improvisierten Quartier in seinem Wohnzimmer. Kilmers Selfie geht viral. Am nächsten Tag leuchten Fernsehkameras die Küche aus und der BVB-Fan erlangt Berühmtheit, weit über die von Andy Warhol verheißenen 15 Minuten voraus.

Eine schöne Erinnerung an einen Tag, den sie in Dortmund so gern vergessen würden. Vieles ist zerstört worden in jenen Stunden. Das Urvertrauen einer Gruppe junger Fußballspieler. Der Glaube an das Primat der Menschlichkeit über den Kommerz. Und, ganz konkret, das Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Geschäftsführung des BVB.

Als Attentäter wird schnell Sergej W. ermittelt und als Motiv eine Wette mit Optionsscheinen auf einen fallenden Kurs der Aktie des börsennotierten Unternehmens Borussia Dortmund KGaA. Ein Spekulationsgewinn für das Leben von 28 Menschen. Die Welt – und nicht nur die des Fußballs – ist fassungslos.

Eineinhalb Jahre später kommt es am Mittwoch (21 Uhr/Sky) erneut zum Duell zwischen dem BVB und AS Monaco. Diesmal nicht im Viertelfinale, sondern im ersten Heimspiel der Vorrunde. Und doch ist die Erinnerung allgegenwärtig.

Marc Bartra verletzt sich schwer

Alles beginnt am frühen Abend des 11. April 2017 vor dem Hotel L’Arrivée, wo die Dortmunder vor Heimspielen zusammenkommen. Um 19:15 Uhr fährt der Bus an, er hat den Parkplatz noch nicht verlassen, da detonieren in einer Hecke drei mit Metallstiften bestückte Sprengsätze.

Ein Stift durchbohrt die Kopfstütze eines Bussitzes. Scheiben zersplittern, die Spieler werfen sich auf den Boden und nur wie durch ein Wunder wird nur einer von ihnen verletzt. Glassplitter treffen Dortmunds spanischen Verteidiger Marc Bartra, er bricht sich dabei den Unterarm und wird noch am späten Abend im Krankenhaus operiert.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erfährt im Stadion von dem Attentat. Nach der Vergewisserung, dass die große Katastrophe ausgeblieben ist, muss er sich der unangenehmen Pflicht einer Rückkehr in den Alltag widmen. Niemand mag dem traumatisierten Team ein sofortiges Spiel zumuten, aber für den nächsten Abend sieht der europäische Dachverband Uefa wohl kein Problem.

Der Terminkalender bis zum Finale im Juni ist eng gestrickt. Noch bei den Verhandlungen im Dortmunder Stadion kurz nach dem Detonieren der Bomben besteht die Uefa auf einer zeitnahen Ansetzung, es bleibt nur der Tag danach. Im Falle einer Dortmunder Weigerung würde das Spiel mit 0:3 gewertet. Watzke gibt nach.

Thomas Tuchel stellt sich offen gegen das Verdikt – und damit auch gegen seine Vorgesetzten. „Die Termine werden vorgegeben und wir haben zu funktionieren“, sagt der BVB-Trainer und: „Wir haben uns so behandelt gefühlt, als sei eine Bierdose gegen die Scheibe von unserem Bus geflogen.“ Später wird er beim Prozess gegen Sergej W. aussagen, der Dissens rund um das Viertelfinale sei der Anfang vom Ende seiner Zeit beim BVB gewesen.

Seine Mannschaft verliert das von Dienstag auf den Mittwoch verlegte Spiel 2:3 und das Rückspiel eine Woche später 1:3. Dortmund ist raus, gewinnt ein paar Wochen darauf in Berlin noch den DFB-Pokal, aber der Riss zwischen Klubführung und Trainer ist nicht mehr zu kitten. Der BVB trennt sich von Tuchel, der ein Jahr pausiert und seit dieser Saison für Paris Saint-Germain arbeitet. Am 11. November bekommt auch Tuchel sein Déjà-vu, beim Heimspiel in Paris gegen Monaco.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false