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Die Rettung des Fußballs. Celtic Glasgow (hier in der Mitte Jimmy Johnstone) drehte im Endspiel von Lissabon 1967 einen 0:1-Rückstand gegen die Defensivkünstler von Inter Mailand um Torwart Giuliano Sarti (l.) und Giacinto Facchetti.

© Imago/Kicker/Metelmann

Champions League: Celtic Glasgow: Der Geist der Löwen

Borussia Mönchengladbachs Gegner Celtic Glasgow überrascht und wird schon mit den Europacuphelden von 1967 verglichen.

Neulich haben die Löwen mal wieder ihren Geist vorbeigeschickt. Der Geist der Löwen ist nicht mehr so oft beim Fußball zu Gast, denn die Zeiten haben sich geändert. Zu viel Geld ist in Manchester, London oder Paris im Spiel, als dass es den Geist noch interessieren würde, aber wenn er denn kommt... dann auch richtig!

Es war Ende September, als Manchester City im Celtic Park gastierte, dieses von arabischem Geld gepamperte Unternehmen mit seinen Stars aus der ganzen Welt und dem Trainer aus Katalonien. Also schickten die Löwen ihren Geist ins Glasgower East End, und es wurde ein atem beraubender Abend. Ein 3:3, das der Celtic Football Club am zweiten Spieltag der Champions League Manchester abtrotzte, und die schottischen Zeitungen feierten ihre Helden mit dem höchsten Kompliment, das sie vergeben können: Die Lissaboner Löwen sind stolz auf euch! Warum Lissabon? Dazu gleich mehr.

Am Mittwoch spielt Borussia Mönchengladbach beim Celtic Football Club, es ist das Duell zweier Traditionsmächte, die schon mal bessere Zeiten erlebt haben. Dort die weißen Fohlen, hier die grün-weiß gestreiften Bhoys, die sich selbst so schreiben, weil es den Akzent von Celtics irischer Vergangenheit trifft. Celtic ist der Klub des Glasgower East Ends, Heimat der Besitzlosen, zu der auch die irischen Einwanderer zählten. Celtic steht für den alten Fußball, für den Kampf gegen die, die immer oben stehen. Und wer weiß schon, dass Celtic auch mal ganz oben stand? Vor einem halben Jahrhundert gewannen die Bhoys in Grün und Weiß den Europapokal der Landesmeister, wie der Vorläufer der Champions League damals hieß. Es war eine andere Zeit und eine andere Mannschaft. Eine, wie es sie wahrscheinlich nie wieder geben wird.

In der Saison 1966/67 triumphierte Celtic mit elf Freunden aus Glasgow

Rein äußerlich unterschied sich Celtic von der Konkurrenz schon mal dadurch, dass die Spieler keine Rückennummern auf den weiß-grün geringelten Leibchen trugen. Nummeriert waren allein die weißen Hosen, aber was war dieses optische Alleinstellungsmerkmal schon gegen den inneren Zusammenhalt? In der Saison 1966/67 triumphierte in Europa keine zusammengekaufte Mannschaft. Celtic siegte im Finale gegen Inter Mailand mit elf Freunden, die allesamt im Umkreis von 30 Meilen um den Celtic Park geboren waren. Und weil sie dieses Heldenstück in Lissabon vollbrachten, werden sie daheim bis heute als Lisbon Lions verehrt, als die Löwen von Lissabon.

Im Tor stand der waghalsige Ronnie Simpson, hinten hielt der Stratege Billy McNeil den Laden sauber, vorn wirbelte der geniale Außenstürmer Jimmy Johnstone. Sie alle standen keineswegs nur für den katholischen Teil Glasgows, wie es die Gegnerschaft zu den streng protestantisch orientierten Rangers vermuten lässt. Celtic war immer offen für alle, zum Beispiel für Jock Stein, den legendären Trainer der Lisbon Lions, er war praktizierender Protestant. Stein zählt bis heute zu den großen schottischen Trainern, in einer Linie mit Matt Busby, Bill Shankly und Alex Ferguson. In seinen jungen Jahren hatte er mal hospitiert bei Helanio Herrera, dem Argentinier, der bei Inter Mailand den Catenaccio erfand, die kompromisslose Verhinderung von Fußball zugunsten des Resultats. Für Stein stand nach diesem Praktikum fest: So soll mein Fußball nie sein!

Herrera hat sich daran nicht mehr erinnert, als die beiden im Mai 1967 im Finale von Lissabon aufeinandertrafen. Inter hatte den Wettbewerb in den Jahren 1965 und 1966 gewonnen und reiste als haushoher Favorit nach Portugal. Aber die Herzen waren bei Celtic. 13.000 schottische Fans hatten die Reise auf sich genommen, „viele von ihnen hatten dafür nicht das Geld, aber sie haben es trotzdem irgendwie geschafft“, hat Celtics Mittelstürmer Stevie Chalmers mal erzählt.

Dabei lief es damals zunächst nicht gut im Finale gegen Inter

Es ließ sich nicht gut an für die Schotten. Schon nach acht Minuten bekam Inter einen Elfmeter zugesprochen, Sandro Mazzola verwandelte ihn zum 1:0, und damit schien das Spiel eigentlich schon gelaufen zu sein. Wenn Inter erst einmal vorn lag, war das kaum noch zu revidieren, dafür garantierte Herreras Riegel. Also gruppierten sich die Italiener um ihren Strafraum und schossen kein einziges Mal mehr aufs Tor. Und Celtic? Erarbeitete die Antithese zur italienischen Verweigerung. „Wir haben einfach Fußball gespielt“, sprach Jock Stein. „Puren, schönen, einfallsreichen Fußball.“

Die Schotten kamen in den verbleibenden 82 Minuten auf 36 Torschüsse, sie trafen zweimal die Latte, scheiterten 13-mal am italienischen Torhüter Giuliano Sarti, siebenmal an verteidigenden Beinen und schossen 19mal neben oder über das Tor. Nach einer Stunde fiel endlich das 1:1 durch Tommy Gemmell und fünf Minuten vor Schluss das Siegtor durch Stevie Chalmers. Inter war besiegt und der Fußball fürs erste gerettet, aber wer weiß das heute noch in Manchester, London oder Paris?

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