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Champions League: Das anfällige Ergebnisteam

Dieser FC Chelsea kann Meister und Champions-League-Sieger werden, aber schon seine Gegenwart ist schwer zu enträtseln. Chelsea ist derzeit die anfälligste, konfuseste Ergebnismannschaft der Welt.

Nach Roberto Mancini (Inter Mailand), Carlo Ancelotti (AC Mailand) und Bernd Schuster (Real Madrid) hatte es nun also auch den unglücklichen Fußballprofessor Arsène Wenger erwischt. Schnell sprach sich in London die Kunde von der 2:4-Niederlage von Wengers FC Arsenal beim FC Liverpool herum; Chelseas Trainer Avram Grant erfuhr auf dem Weg zur Pressekonferenz von dem Ergebnis, das seinen 2:0-Erfolg gegen Fenerbahce Istanbul gehörig aufwertete. Grant, der uncharismatische Mann „mit dem Gesicht eines gut gepflegten Grabsteins“ („Times“), der eher gering geschätzte No-Name-Nachfolger von José Mourinho, hatte es also in seiner ersten Saison auf Anhieb ins Halbfinale der Champions League gebracht – und die vielen prominenten Kollegen können nur zuschauen.

Doch der Israeli machte keine Anstalten, den kleinen Triumph auszukosten. Zweimal wurde er nach den Chancen im kommenden Duell mit dem FC Liverpool gefragt – zweimal gab Grant an, die Frage nicht zu verstehen. Als es ein Reporter ein drittes Mal versuchte, sagte Grant, er kenne die Zukunft nicht, es mache keinen Sinn, darüber zu reden. Zwei Sätze später, als Chelseas dreifaches Scheitern im Halbfinale seit 2004 zur Sprache kam, sagte er: „Die Vergangenheit ist vergangen.“ Da blieben nicht mehr viele Themen übrig.

Dieser FC Chelsea kann Meister und Champions-League-Sieger werden, aber schon seine Gegenwart ist schwer zu enträtseln. Nach zwei völlig unterschiedlichen Spielhälften blieb am Ende ein Paradox: Chelsea ist derzeit die anfälligste, konfuseste Ergebnismannschaft der Welt. Zunächst setzte Chelsea Fenerbahce mit Pressing und wuchtigen Angriffen unter Druck. Michael Ballacks frühes Kopfballtor trug der Überlegenheit nur ungenügend Rechnung. Aber in der zweiten Halbzeit erreichte Chelseas Fehlpassquote Kneipenliganiveau, Grant ermunterte Fenerbahce mit einem defensiven Wechsel zu Angriffen. Henrique Hilario, der für den verletzten Carlo Cudicini eingewechselte Torwart, musste zweimal prächtig parieren, ehe Frank Lampard seine Elf mit dem 2:0 erlöste. „Unser Stil lässt sich nicht mehr ändern: Wir gewinnen Spiele mit Kraft und individueller Klasse, dafür laufen wir auch schon mal 15 Minuten hinterher“, sagte der für eine starke Leistung gefeierte Michael Ballack. Felix Magath hat einst behauptet: „Taktik ist etwas für schlechte Spieler.“ Vielleicht stimmt das ja doch, selbst in der Champions League. Raphael Honigstein

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