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Sport: Champions League: Der Ball rollt doch

Wie lässt es sich Fußball spielen unter dem Eindruck der Katastrophe? Über 50 000 Zuschauer versuchten am Dienstag, nur wenige Stunden nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, in der ausverkauften Arena AufSchalke die Antwort auf diese Frage zu finden.

Wie lässt es sich Fußball spielen unter dem Eindruck der Katastrophe? Über 50 000 Zuschauer versuchten am Dienstag, nur wenige Stunden nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, in der ausverkauften Arena AufSchalke die Antwort auf diese Frage zu finden. Die Premiere der Schalker in der Champions League gegen Panathinaikos Athen (0:2) war als riesiger Festtag geplant worden - und dann hätten die Schalker am liebsten alles abgesagt. Wie die Revierkollegen von Borussia Dortmund (2:2 bei Dynamo Kiew) mussten die Schalker auf Geheiß der Uefa antreten.

"Es gibt bessere Tage, um Fußball zu spielen", sagte Geschäftsführer Peter Peters, und Manager Rudi Assauer betonte, "wenn wir der Veranstalter gewesen wären, hätten wir das Spiel abgesagt". Doch die Entscheidung lag bei der Uefa, und die befand, dass gespielt werden müsse. Dabei verwies sie auf ihre Neutralität - was auch immer dieser Begriff in diesem Moment und Zusammenhang bedeuten sollte.

Vor- und Rahmenprogramm wurden gestrichen, der Stadionsprecher verlas einen Text, in dem den Familien der Opfer das Mitgefühl beider Klubs ausgesprochen wurde. Nach einigen wenigen Gedenksekunden rollte der Ball. Doch das Entsetzen über den Anschlag war bei Spielern wie Fans zu spüren. Assauer will gemerkt haben, dass "die Zuschauer bedrückt waren", dass es schwierig für sie gewesen sei, "zu applaudieren". Der Manager spürte bei seinem Publikum die Sensibilität für die Katastrophe in Amerika. "Die Unterstützung war nicht so stark wie vorher, und nicht, weil die Mannschaft nicht gut gespielt hat. Das zeigt, dass die Schalker Fans auch ein Herz haben."

Die 0:2-Niederlage wurde zur Nebensache, die fachliche Analyse danach ebenso. Viel mehr interessierte die Frage, wie sinnvoll es ist, am Tag, an dem die Welt erschüttert wurde, überhaupt gegen den Ball zu treten. "Das Spiel ist das Spiel, das Leben ist das Leben", sagte Panathinaikos Trainer Yannis Kyrastas. Sein Kollege Huub Stevens wusste nicht zu sagen, "ob die Sache in Amerika uns gestört hat" und räumte ein, "dass der eine Spieler mehr gefühlig für so eine Sache ist als ein anderer". Dennoch: Die Niederlage, stellte Stevens klar, sei nicht darauf zurückzuführen. Ob die Uefa die richtige Entscheidung getroffen habe, darüber wollte er nicht urteilen: "Ich weiß nicht, wie sich die Amerikaner verhalten hätten, wenn so etwas in Europa geschehen wäre. Ich kann nur sagen, wenn die Uefa sagt, es wird gespielt, müssen wir antreten."

Einer, dem das sehr schwer fiel, war Andreas Möller. Obwohl er es mit keiner Silbe als Entschuldigung für seinen extrem schwachen Auftritt erwähnte, war es ihm anzumerken gewesen, wie er sich in keiner Minute richtig auf das Fußballspiel hatte konzentrieren können. "Mir wurde bewusst, was heutzutage möglich ist. Wir bewegen uns zwischen Glassplittern. Es kann alles passieren, auch das Unvorstellbare." Nachdenklich sprach er über das "Unfassbare, was da passiert ist. Nach der Rede des Bundeskanzlers habe ich nicht damit gerechnet, dass wir spielen müssen." Sie mussten. Beim Kaffeetrinken, berichtete Möller, hätten sie die Bilder aus Amerika gesehen, die ihn an "Sciencefiction", an einen "Katastrophenfilm von Hollywood-Regisseuren" erinnerten.

Anders als Möller machte sich Marc Wilmots den Geist Avery Brundages zu eigen: "Es ist nur ein Fußballspiel. Aber man darf vor den Terroristen nicht in die Knie gehen." Der damalige IOC-Präsident hatte nach dem Terroranschlag auf die Olympischen Spiele 1972 in München den Satz geprägt: "The games must go on." So war es auch am Dienstagabend.

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