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Sport: Champions League: Ende von Etwas

Am Ende eines Abends voller Enttäuschung hatten sie ihn allein zurückgelassen. Während der Rest der Mannschaft schon unterwegs ins Hotel zum Mitternachtsbüffet war, saß Stefan Effenberg noch in den Katakomben des Bernabeu-Stadions, weil er nicht prompt geben konnte, was der Dopingkontrolleur ihm abverlangte.

Am Ende eines Abends voller Enttäuschung hatten sie ihn allein zurückgelassen. Während der Rest der Mannschaft schon unterwegs ins Hotel zum Mitternachtsbüffet war, saß Stefan Effenberg noch in den Katakomben des Bernabeu-Stadions, weil er nicht prompt geben konnte, was der Dopingkontrolleur ihm abverlangte. Und so hatte die Schlusseinstellung einer großen Fußballinszenierung der Champions League Symbolkraft für das Ende der Ära Effenberg beim FC Bayern München. Die Stars von Real Madrid hatten eindrucksvoll das Werk vollendet, das sie eine Woche zuvor im Olympiastadion mit ein paar kunstvollen Pinselstrichen skizziert hatten.

Die Bayern dagegen stehen nach dem Spiel der letzten Chance mit leeren Händen da, und Trainer Ottmar Hitzfeld wollte nichts beschönigen: "Real hat uns die Grenzen klar und deutlich aufgezeigt." Zu besichtigen waren die "besseren Individualisten" (Hitzfeld) auf Seiten der Spanier. Diese schlichte Feststellung war gewiss nicht auf Effenberg allein gemünzt, unterstreicht jedoch ein Ungleichgewicht zwischen den Champions-League-Siegern der vergangenen beiden Jahre. Der Stratege Effenberg hatte in seinem letzten wichtigen Gang mit dem FC Bayern nicht mehr die Strahlkraft auf dem Platz, die er bei der Titelanhäufung der Münchner eingebracht hatte.

Im Schatten des unwiderstehlichen Zinedine Zidane kämpfte der vormals unwiderstehliche Effenberg zwar, er rackerte, haute sich rein, holte sich früh eine Gelbe Karte ab, und blieb selbst in der außergewöhnlich aggressiven Atmosphäre des Bernabeu-Stadions erstaunlich anständig. Das Spiel nach vorne aber wollte ihm nicht gelingen. "Wir haben es nie geschafft, konstruktiv nach vorne zu spielen", bekannte Thomas Linke, der zuverlässig seinen Job als Innenverteidiger erledigte und Grund hatte, sich über das Foul von Raúl vor dem 2:0 zu beklagen.

Das geschah in der 85. Minute, zu einem Zeitpunkt, als schon kein berechtigter Zweifel mehr daran bestand, dass der FC Bayern in dieser Saison erstmals seit 1995 keinen Titel wird gewinnen können. Seine obligatorische Rede vor den zahlungskräftigen Mitgereisten verkürzte Franz Beckenbauer später in betretener Stimmung auf einen Satz: "Es ist keine Schande, gegen dieses großartige Real zu verlieren." Der Kontrahent dient auch Ottmar Hitzfeld für die Erklärungskonstruktion. "Ich hätte gerne einen Zidane und einen Figo in der Mannschaft", sagte der Trainer. "Bayern München machte letzte Saison 50 Millionen Mark Gewinn, Real über 100 Millionen Verlust. Das ist der Unterschied." Nicht ganz. Im Jahr des Umbruchs konnte der FC Bayern nicht kaschieren, dass seine Mannschaft überaltert ist. "Im Mittelfeld sind wir für die europäische Spitzenklasse zu langsam", bekennt Hitzfeld.

Dass Effenberg keine Rolle mehr in den Planungen spielt, weiß er seit geraumer Zeit. Die Verpflichtung von Michael Ballack und Sebastian Deisler zur kommenden Saison sind die ersten Korrekturschritte. Und das Bemühen um einen weiteren Leverkusener, Ze Roberto, nennt Hitzfeld "sehr konkret". Bayer hat dem FC Bayern auf dem Fußballplatz den Rang abgelaufen, was an der Bundesligatabelle abzulesen ist und spätestens mit dem hinreißend herausgespielten 4:2 gegen Liverpool auch einem breiteren Publikum bewusst geworden sein dürfte.

Bixente Lizarazu erinnerte an diesem kalten, regnerischen Abend von Madrid daran, "dass wir in den vergangenen Jahren Titel in letzter Minute gewonnen haben - jetzt verlieren wir sie auf gleiche Weise". Und so kommt der kleine Franzose zur nüchternen Einschätzung: "Diese Saison war keine für Titel." Die Bayern werden noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um die Teilnahme an der nächsten Champions-League-Ausgabe zu sichern, das Minimalziel.

"Denn was uns wirklich ärgert, ist Platz vier in der Bundesliga." Als Franz Beckenbauer das sagte, war ein erleichteter Stefan Effenberg schließlich auch in der Herberge angekommen. Es war ein Abend von Madrid, an dem Real "eine neue Sinfonie komponiert hat"(die Sportzeitung "AS") und der letzte Tusch für Stefan Effenberg erklungen ist.

Christoph Kieslich

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