zum Hauptinhalt
213497_0_1ed0fecb

© dpa

Champions-League-Finale: Nur noch Kraft für Tränen

Die tragische Figur bei der Niederlage des FC Chelsea ist Michael Ballack. Er machte eines der besten Spiele seines Lebens und sank am Ende doch weinend in die Knie.

Um 1 Uhr 30, nach dem 150minütigem Zusammenprall zweier fast unbesiegbarer Teams tausende Kilometer von zu Hause entfernt, war es vollbracht: Der englische Fußball war in der metallisch schimmernden Keksdose des Luschniki-Stadions in Moskau ganz in seinem Element. Tonnen von Wasser, dem Stoff, aus dem Schweiß und Tränen gemacht sind, spülten unbändige Gefühle frei. Manchester Uniteds Champions erlebten im Dauerregen ein wohliges Glücksbad, als Symbol für die Gefühlslage von Chelsea dagegen musste man sich nur Michael Ballack anschauen: Der deutsche Nationalspieler saß weinend am Mittelkreis.

Der 31-Jährige hatte in seinem zweiten Champions-League-Finale eines der besten Spiele seines Lebens gemacht. Nach einem schwachen Auftakt und Cristiano Ronaldos Führungstreffer für Manchester trieb der deutsche Nationalspieler die Londoner nach vorne. Am Ende vergeblich. Frank Lampards Ausgleich fiel zunächst glücklich, danach war alles anders: Die Blauen aus London rannten kollektiv fünf Kilometer mehr als der Gegner und eroberten sich auch die Chancenhoheit. Didier Drogba setzte einen Schlenzer an den Pfosten, bevor Ballack in der Verlängerung famos auf Frank Lampard ablegte und dieser ebenso famos die Latte traf. Chelseas physische Überlegenheit schien diesem exzellenten Finale eine Entscheidung aufzuzwingen. Es kam anders. Es kam zum Elfmeterschießen. Chelsea verlor, weil John Terry bei seinem Elfmeter wegrutschte und weil danach auch Nicolas Anelka scheiterte.

Dann war es vorbei. Michael Ballack, der sicher verwandelt hatte, war emotional so erschöpft und enttäuscht, dass er in die Knie sank, und durch seine Tränen hindurch auf den Rasen oder in die Ferne starrte. Immer wieder kamen Mitspieler vorbei, um ihn zu trösten, Ballack reagierte nicht. Er verlor das Champions-League-Finale 2002 mit Leverkusen, er musste beim WM-Endspiel 2002 gesperrt zuschauen, er flog mit der deutschen Nationalmannschaft im WM-Halbfinale 2006 raus. Und jetzt Moskau. Ballack, der aus seinem Körper die letzten Kraftreserven herausgeholt hatte, war so erschöpft und fast dehydriert, dass sich seine Dopingprobe fast endlos hinzog. Er musste Unmengen Wasser trinken, bis er eine Probe abgeben konnte. Um 3.34 Uhr verließ er das menschenleere Stadion, ein 31-Jähriger, der sich wie ein alter Mann ins Hotel schleppte.

Er hat natürlich die ganzen Kommentare gehört, die ihn zum Star veredeln. Die englischen Medien lobten Ballack als mit Abstand besten Spieler Chelseas. Und Joachim Löw, der Bundestrainer, attestierte aus dem Trainingslager der Nationalmannschaft eine „starke Leistung“. Aber all das wird erst mal nicht sein Herz erreichen. „Er wird zwei, drei Tage daran zu knabbern haben“, sagte Löw.

Wenige Spieler der von Zersetzungskräften erfassten Chelsea-Elf fanden Worte. „Ein Elfmeter entscheidet zwischen Freude und Unglück“, erklärte Trainer Avram Grant. Nur der Sieger schaute nach vorne. „Morgen denke ich schon an die nächste Saison“, sagte United-Trainer Alex Ferguson. „Alles löst sich so schnell auf – dieser finale Moment, die Parade von van der Sar. Es verschwindet.“

Ballack ist nun nur ein Held der Tragik. Ferguson ist endgültig als Trainerlegende etabliert, Grant muss dagegen als titelloser Unglücksrabe zum Rapport bei Chelsea-Eigentümer Abramowitsch. Alles wegen Terrys Standbein. So schön und so schrecklich ist er, der Fußball.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false