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Nummer zehn spielt vor. Juan Mata (rechts, im Pokal-Halbfinale gegen Tottenham) setzt die fußballerischen Akzente in Chelseas gealterter Mannschaft. Foto: AP

© dapd

Champions League Halbfinale: Kraft fordert Kunst

2009 schied der FC Chelsea im Halbfinale gegen den FC Barcelona aus - auch durch zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen. Heute wollen die Londoner die Katalanen mit der Wut der schlechten Erinnerungen besiegen.

Unmittelbar nach dem Einzug ins Halbfinale der Champions League erschien die Aussicht auf ein Wiedersehen mit dem FC Barcelona so wenig verlockend, dass Chelseas Spieler den Blick lieber zurück in die düsterste Vergangenheit warfen. „Wir haben noch eine Rechnung mit ihnen offen“, sagte Frank Lampard in Erinnerung an das traumatische Last-Minute-Aus gegen die Katalanen vor drei Jahren, als die Londoner nach eigenem Empfinden nur an der Inkompetenz von Schiedsrichter Tom Henning Övrebo gescheitert waren.

Der glatzköpfige Norweger bekommt, wie er dem „Guardian“ erzählte, noch immer „zwei, drei Todesdrohungen im Jahr“ von aufgebrachten Chelsea-Anhängern, die ihm mehrere verweigerte Elfmeterpfiffe vorwerfen. Doch von Revanchegelüsten und verschwörerischer Ungerechtigkeit war in den vergangenen Tagen in West-London wenig zu hören. Chelsea muss spätestens nach dem 5:1-Sieg gegen Tottenham im Pokal-Halbfinale am Sonntag nicht mehr alte Wut aufwärmen, denn es herrscht neue, echte Zuversicht. „Barcelona kann Mannschaften zerstören, aber wir glauben an unsere Chance“, sagte Lampard.

Josep Guardiolas Team tat sich an der Stamford Bridge in der Tat oft schwer; das auf Masse, Kraft und Härte in der Zentrale vertrauende Chelsea konnte Barças Kunst als eine der wenigen Mannschaften in Europa dauerhaft unterbinden. Messi und Co. sind allerdings seit dem 7. Mai 2009 knapp drei Jahre besser geworden, während die damals von Guus Hiddink betreuten Londoner heute im europäischen Vergleich doch deutlich zurückgefallen sind. „Wir haben uns verändert“, sagte Lampard, 33, gewollt unpräzise, denn Chelseas Saison (Platz sechs in der Liga) erzählte bisher eher von einem Abschwung als von einer Entwicklung. Das „ab durch die Mitte“-Prinzip funktioniert nicht mehr zuverlässig, weil Lampard und den anderen Routiniers schlicht die Wucht glorreicher Tage fehlt.

Beim begeisternden 4:1 gegen Napoli im Achtelfinale raffte sich der ivorische Rammbock Didier Drogba, 34, zu einer (letzten?) großen Show auf. Gegen Barcelona wird wohl der weiter glücklose Fernando Torres stürmen dürfen, mit dem aus Chelseas Sicht der Gastgeber wichtigsten Akteur im Rücken. Falls Chelsea gegen die weltbeste Equipe eine Chance haben will, wird es den Mut zur Veränderung brauchen. Den Mut, den Ball nicht sofort nach vorne zu dreschen, sondern ihn gepflegt an Juan Mata weiterzuleiten – an den Mann, der langfristig die Statik an der Bridge ändern soll.

Der 23-jährige Spanier, ein 29-Millionen-Euro-Einkauf vom FC Valencia, hätte der Königstransfer von Trainer André Villas-Boas werden sollen. Als kleiner, feinfüßiger Flügelstürmer/Spielmacher-Hybride ist er geeignet, Chelseas stupenden Hochfrequenzrhythmus auf ein verträglicheres Tempo zu drosseln. Obwohl Matas Klasse unter dem allzu sehr um Autorität bemühten Villas-Boas nur in Episoden zum Tragen kam und der im März entlassene Portugiese mit seinem Konzept am Ancien Régime in der Kabine scheiterte, war Mata einer der wenigen Namen, die nicht für ein Problem, sondern für Lösungen stehen.

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