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David Ginola (r.) und George Weah jubeln nach dem Schlusspfiff über den Sieg gegen Real Madrid.

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Champions League: PSG gegen Real Madrid: Frankreichs kurze Liebe zu David Ginola

PSG braucht gegen Real im Rückspiel des Achtelfinals der Champions League einen magischen Abend. So einen erlebte der Klub vor 25 Jahren gegen die Madrilenen. Dank Ginola.

Vor zwei Jahren war David Ginola klinisch tot. Herzstillstand, umgekippt bei einem Wohltätigkeitsspiel in Südfrankreich. Alles halb so wild, sagt er heute, am unangenehmsten sei es gewesen, dass er bei der Wiederbelebung vier Rippenbrüche davongetragen habe. Vor zwei Wochen ist David Ginola, der Filou und tragische Held des französischen Fußballs, mit 51 Jahren zum dritten Mal Vater geworden.

In Paris haben sie diese Nachricht durchaus mit Interesse zur Kenntnis genommen. Drei Jahre hat der elegante Flügelstürmer im Prinzenpark für den Paris St. Germain Football Club gespielt und mit seinen Toren dazu beigetragen, im Europapokalspiel zweimal Real Madrid und einmal den FC Barcelona auszuschalten. Die spanische Presse nannte ihn ehrfürchtig „El Magnifico“, den Großartigen.

So einen könnte PSG im Achtelfinale der Champions League gut gebrauchen. Im Rückspiel geht es am Dienstag in Prinzenpark gegen den Pokalverteidiger Real Madrid. Ohne den verletzten Brasilianer Neymar und mit der Hypothek einer 1:3-Niederlage aus dem Hinspiel vor zwei Wochen. Schwer, aber nicht unlösbar. El Magnifico David Ginola hat es vorgemacht, vor ziemlich genau einem Vierteljahrhundert. Im Viertelfinale des Uefa-Cups. Damals war es um PSG nach einem 1:3 im Santiago Bernabéu ähnlich schlecht bestellt wie vor zwei Jahren um Ginola nach dessen Herzstillstand. Aber die Franzosen kamen mit ähnlicher Lebensfreude zurück wie jüngst der frisch gebackene Vater. Angetrieben von 46 000 fanatischen Zuschauern siegte Paris nach einer an Dramatik schwerlich zu überbietenden Schlussphase 4:1. Ginola spielte groß auf, er schoss das zweite Tor, bereitete das dritte vor und holte den Freistoß vor dem vierten heraus. Frankreich verliebte sich in dieser Nacht in den Beau mit der langen Mähne. Niemand ahnte, dass Ginola ein gutes halbes Jahr später so tief fallen würde, wie es nur tragischen Helden vorbehalten ist.

Mit Urgewalt in die linke Ecke

Als im März 1993 das Rückspiel gegen Real Madrid ansteht, ist der Prinzenpark trotz der schlechten Ausgangslage ausverkauft. PSG dominiert von Beginn an, aber in der ersten Halbzeit reicht es nur zu einem Tor. George Weah, der Weltstar aus Liberia, erzielt es mit dem Kopf. Auch die zweite Hälfte ist denkbar einseitig, doch das erlösende zweite Tor will einfach nicht fallen. Bis zehn Minuten vor Schluss Ginola seinen großen Auftritt hat. Weah legt ab auf Daniel Bravo, der leitet mit dem Kopf weiter, direkt auf den Fuß von Ginola, der den Ball zwanzig Meter vor dem Tor kurz auftippen lässt und ihn dann mit Urgewalt in die linke Ecke wuchtet.

2:0, das reicht zum Weiterkommen, aber PSG hat noch nicht genug. Drei Minuten noch, Ginola dribbelt sich durch die Madrider Hälfte und spielt auf Valdo, den Pariser Brasilianer mit den feinen Füßen. Valdo lässt zwei Spanier stehen und trifft zum 3:0. Der Prinzenpark tobt, aber noch ist das Spiel nicht vorbei. Es läuft die zweite Minute der Nachspielzeit, da passen die Franzosen einmal nicht auf. Der Chilene Ivan Zamorano, er trägt bei Real den Ehrennamen „der Schreckliche“, staubt zum 1:3 ab. Beide Mannschaften richten sich schon auf die Verlängerung ein, es sind schon sechs Minuten über die Zeit gespielt, da kommt Ginola ein letztes Mal an den Ball. Am rechten Strafraumeck schlägt er einen Haken um Zamorano, und der kann das Bein nicht mehr rechtzeitig wegziehen. Den fälligen Freistoß zirkelt Valdo in die Mitte, Verteidiger Antoine Kombouaré hält den Kopf hin und Reals Torhüter Francisco Buyo ist zum vierten Mal geschlagen. Kurz darauf ist Schluss und PSG steht im Halbfinale.

Ginola erzählt später: „Dies sind Momente, für die wir das Leben und den Fußball lieben.“ Die Liebe des französischen Fußballs währt nur acht Monate. Im November 1993 spielt Frankreich im Prinzenpark gegen Bulgarien um die Teilnahme an der WM in den USA. 1:1, es läuft die letzte Minute, den Franzosen genügt ein Unentschieden. Ginola hat den Ball an der bulgarischen Eckfahne, und eigentlich kann er jetzt gar nichts falsch machen. Er könnte ein Foul provozieren, einen Eckball oder Einwurf oder einfach nur Zeit schinden. Warten, bis das Spiel vorbei ist. Aber Ginola ist kein Mann für die dreckigen Lösungen. Also flankt er hoch und weit in den Strafraum, aber da steht niemand, jedenfalls kein Franzose. Zehn Sekunden und drei Querpässe später jagt Emil Kostadinov den Ball ins französische Tor.

Auf zehn Sekunden reduziert

2:1, Frankreich ist raus, die Nation gelähmt vor Entsetzen und der Trainer außer sich. „Ginola hat ein Verbrechen gegen die Mannschaft begangen“, wütet Gérard Houllier, er nennt Ginola „einen Dreckskerl“, so oft, dass ihn der Delinquent noch 19 Jahre später wegen Rufschädigung verklagt. Kurz darauf endet Ginolas Länderspielkarriere nach gerade 17 Spielen, er flieht nach England, wo er für Newcastle, Tottenham, Aston Villa und Everton stürmt. Heute wohnt er wieder an der Cote d'Azur und wird alle paar Tage auf das Bulgarien-Spiel angesprochen. Von Reportern, beim Einkaufen oder Pilzesammeln, „mein Leben wird auf zehn Sekunden Spielzeit reduziert“. Schön, dass es in diesen Tagen mal um einen anderen David Ginola geht. Um einen, mit dem Paris St. Germain mal ein 1:3 gegen Real Madrid gedreht hat.

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