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Sport: Champions League: Sehnsucht nach dem weißen Ballett

Steve McManaman, der Engländer in den Reihen von Real Madrid, ist ein Gentleman. Doch wenn es um Bayern München geht, gibt der Mittelfeldspieler alle Zurückhaltung auf.

Steve McManaman, der Engländer in den Reihen von Real Madrid, ist ein Gentleman. Doch wenn es um Bayern München geht, gibt der Mittelfeldspieler alle Zurückhaltung auf. Die Münchner gelten in Spanien als kickende Variante des hässlichen Deutschen, und "Stefan Effenberg ist der unangenehmste Kerl, den es zurzeit weltweit im Fußball gibt", sagt McManaman.

Solchen Leuten geht man gewöhnlich lieber aus dem Weg. Doch in dem Fall ist das anders. "Je früher wir auf sie treffen, desto besser", sagten Ivan Helguera und seine Kollegen, als sie erfuhren, dass sie es im Viertelfinale der Champions League wieder mit den Bayern zu tun haben. Es gibt da nämlich einiges zu klären mit dieser "entsetzlichen Mannschaft", wie Johan Cruyff - als ehemaliger Spieler und Trainer des FC Barcelona diesmal eher ein neutraler Beobachter - das Münchner Team nennt. Damit drückt der Niederländer das Empfinden nahezu aller spanischen Fußballfreunde aus - selbst jener, die gewöhnlich nicht Real Madrid die Daumen drücken: Man respektiert die Erfolge des FC Bayern, verachtet aber die Methoden, mit denen diese zumeist erreicht werden. Es steht somit nicht nur ein Duell zwischen einander bestens bekannten Rivalen auf der Tagesordnung. Da prallen absolut gegensätzliche Fußball-Welten aufeinander. Und Real will demonstrieren, dass selbst im gegenwärtigen Fußball die bessere Mannschaft gewinnen kann.

Das hat natürlich eine Vorgeschichte: Von den sechs Begegnungen der beiden Teams während der letzten Jahre gewannen die Bayern fünf. Und das, so sehen es die Spanier, mit reinem Zerstörungsgekicke. Damit soll in diesem Jahr Schluss sein, denn Real will nicht nur die eigenen Fans mit dem Einzug ins Halbfinale versöhnen, sondern sich auch dem Vergleich mit der Vergangenheit stellen. Im Jahr des 100-jährigen Vereinsgeburtstags ist diese Frage allgegenwärtig: Wo steht Real Madrid auf dem Weg zu einer neuen goldenen Ära, wie man sie in den Fünfzigern erlebte, als das weiße Ballett mit di Stefano, Puskas, Kopa und Gento fünf Mal in Serie den Europacup gewann?

An diese große Zeit soll Real im Jubiläumsjahr endgültig anknüpfen, natürlich mit einem neunten Europacup-Sieg. Und vom spielerischen Potenzial her erscheinen solche Erwartungen keineswegs übertrieben. Das um die Weltstars Zidane, Figo, Raul und Roberto Carlos versammelte Ensemble spielt an guten Tagen gewiss den derzeit weltweit besten Fußball aller Vereinsmannschaften. Schlechte Tage gibt es indes ebenso - aber nicht, weil die Leute plötzlich das Kicken verlernt hätten. Sondern weil sie mental nicht konstant gut drauf sind. Dann häufen sich die Abspielfehler im Mittelfeld, im Angriff wird eine Chance nach der anderen vergeigt. Ein besonderer Gradmesser für dieses Auf und Ab ist Fernando Morientes: Vor drei Wochen traf der Stürmer im Ligaspiel gegen UD Las Palmas gleich fünf Mal. Doch seither vergab Morientes zwingende Chancen zu Dutzenden und landete nicht einen einzigen Treffer.

Als Johan Cruyff in den späten Achtzigerjahren beim FC Barcelona ähnliche Probleme ortete, lautete seine Diagnose: "In dieser Mannschaft gibt es zu viele gute Menschen." Die Therapie: Der Bulgare Hristo Stoitschkow wurde engagiert. In der Folge gewann der FC Barcelona alles, was es gerade zu gewinnen gab. Von Reals Sportdirektor Jorge Valdano ist bekannt, dass er in fast allem mit Cruyff einer Meinung ist. Deswegen wird im Umfeld schon spekuliert, wen Real im kommenden Sommer verpflichten wird. Es muss ja nicht gleich Stefan Effenberg sein.

Harald Irnberger

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