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Meister der Leichtigkeit. Trainer Pep Guardiola hat dem FC Barcelona die Schwerelosigkeit beigebracht.

© AFP

Champions-League-Sieger: Barcelonas Vermählung mit der Geschichte

An der Dominanz des FC Barcelona werden sich Generationen orientieren. Die Katalanen beherrschten Manchester United im Finale noch klarer als 2009.

Eine traurige Rose am Revers, das Gesicht so aschfahl wie der Anzug, wie ein Bräutigam, den die Braut am größten Tag des Lebens sitzen gelassen hat, um mit einem Anderen zu tanzen. Derart geschlagen schlichen die Fußballer Manchester Uniteds durch die Katakomben des Wembley-Stadions zu ihrem Mannschaftsbus. Ihre Hochzeit hatten andere gefeiert. Piqué griff sich nach Spielschluss eine Schere aus einem Medizinköfferchen, schnitt das Tornetz ab und trug es wie einen Brautschleier, zur Vermählung des FC Barcelona mit der Fußballgeschichte. Statt eines Brautwalzers tanzten er und seine Mitspieler mit dem Champions-League-Pokal, wie sie es zuvor 90 Minuten mit dem Ball getan haben. Arm in Arm um die Trophäe im Mittelkreis, einer Sardana gleich, führten sie einen katalanischen Volkstanz im englischsten aller Fußballstadien auf. Nicht einmal die Rasensprenger, die plötzlich angingen, konnten Barcelona stoppen. Eric Abidal und Sergio Busquets griffen in die Sprenkler, um Kameraleute, Ordner und Funktionäre nasszuspritzen.

Es war diese Leichtigkeit, die bei Barcelona beeindruckte, beim 3:1-Finalsieg gegen Manchester United und beim Feiern danach. Selten hat eine Mannschaft einen Endspielgegner mit solcher Schwerelosigkeit vorgeführt. Den Ritterschlag erhielt sie dafür von einem Ordensträger des Britischen Empires. „Sie sind das beste Team, gegen das wir in meiner Zeit als Trainer gespielt haben“, sagte Sir Alex Ferguson, der immerhin eine 37-jährige Trainerkarriere, davon 25 Jahre bei Manchester United, als Vergleichswert zur Verfügung hat. Der 69-Jährige, dessen Hand im Spiel krampfte, als stünde er dem Herzinfarkt nahe, gab am Ende desillusioniert zu: „Wir haben das Beste gegeben, was wir konnten, aber wir haben Lionel Messi nie kontrollieren können – aber das haben schon so viele vor mir gesagt.“

Dass selbst der Englische Meister dies in seinem dritten Champions-League-Endspiel in vier Jahren nicht vermochte, dass sich die Katalanen im Vergleich zum Finale 2009 noch einmal steigerten und Manchester diesmal noch klarer beherrschten – das alles lässt die Frage nach der historischen Größe dieser Barcelona-Elf aufkommen.

Ein erschöpfter Josep Guardiola wollte sich nach dem Spiel den Platz in den Geschichtsbüchern jedoch nicht selbst zuordnen. „Ich habe das Real Madrid Alfredo di Stefanos, das Ajax Amsterdam Johan Cruyffs oder den FC Santos Pelés nie spielen sehen, aber wir würden uns freuen, wenn man uns in zehn oder 15 Jahren als eine der besten Mannschaften in Erinnerung behält.“

Doch schon jetzt lässt sich sagen: Der FC Barcelona Lionel Messis, Andrés Iniestas und Xavis ist bereits eine historische Referenzgröße für kommende Generationen. Vor allem durch die Art der Siege, denen trotz aller taktischen Perfektion nichts Routiniertes oder Maschinenhaftes anhaftet, sondern Spontanität und Spielfreude. Eine unterhaltsamere Dominanz einer Mannschaft hat es wohl selten gegeben. „Es tut natürlich weh, aber sie haben einfach auf schöne Art gewonnen“, sagte Manchesters Torwart Edwin van der Sar, der von seinem letzten Profispiel nichts als einen Geschenkball der Uefa mitnahm. „Wenn man verliert, weil sich die andere Mannschaft hinten reinstellt und mit einem abgefälschten Schuss trifft, dann ist das scheiße, aber Barcelona spielt so wie es alle sehen wollen.“

Sinnbildlich für Barcelonas menschliche Art des Siegens war Carles Puyol, der ohne Groll, nicht von Beginn gespielt zu haben, seine Kapitänsbinde am Ende Eric Abidal überreichte. Der Franzose, der nach einer Lebertumor-Operation noch rechtzeitig zum Finale fit geworden war, durfte als Erster die Trophäe stemmen. „Es sind solche Gesten, die uns stark machen“, sagte Guardiola. „Wir haben mit ihm mitgelitten“, sagte David Villa, „für ihn zu siegen, war eine zusätzliche Motivation.“

Die Mentalität dieser Mannschaft ist vor allem ein Verdienst Guardiolas. Er hat Barcelona nicht nur Perfektion auch ohne Ballbesitz gelehrt, sondern vor allem Stil, auf und neben dem Feld. Ein Jahr will der 40-Jährige noch bei Barca weitermachen, auch wenn er ankündigte dass „ich in mich gehen muss, ob da noch Ziele sind. Wenn die Leidenschaft irgendwann fehlt, dann gehe ich.“ Nach zehn Titeln in drei Jahren ist Guardiola ohne den FC Barcelona kaum vorstellbar. Und Barcelona noch schwerer ohne Guardiola.

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