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Basketball China

© AFP

Chinesicher Basketballnachwuchs: Auf dem Sprung

Basketball boomt in China – nun wechselt der zweite Spieler in die NBA, weitere sollen folgen.

Nate Robinson misst einen halben Kopf weniger als sein chinesischer Nebenmann, trotzdem ist er natürlich der Größere. Dazu genügt ein Blick an die Wände des nationalen Basketball-Trainingszentrums in Peking. An beiden Seiten hängt ein überdimensionales Poster des 1,75 Meter kleinen NBA-Spielers von den New York Knicks. Der Aufbauspieler ist der Star hier in der riesigen Trainingshalle im Süden Pekings. Neben ihm steht Luol Hanchen, er lächelt schüchtern. Der 13-Jährige aus Dongguan in der Provinz Guangdong darf mit dem Ehrengast des All-Asia-Nachwuchscamps posieren, weil er eines der auffälligsten Talente ist. So nahe wie heute ist er der NBA noch nie gekommen. Aber das genügt ihm nicht. „Ich will irgendwann in der NBA spielen“, sagt er mutig.

Für ein anderes chinesisches Talent ist dieser Traum seit Donnerstag in Erfüllung gegangen. Yi Jianlian von den Guangdong Tigers wird in der kommenden Saison in der besten Basketballliga der Welt für die Milwaukee Bucks spielen, die ihn an Nummer sechs gewählt haben. Allerdings hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. „Das ist ein Überraschung für mich“, sagte der 19-Jährige, „als ich noch in China war, ist Milwaukee nie zu einem Spiel oder zum Training gekommen.“ Er hat sich offenbar einen anderen Verein gewünscht. Womöglich hat ihn auch sein Aufenthalt in Hollywood, wo er mehrere offizielle Filmpremieren besuchte, in den letzten Wochen ein wenig verwöhnt.

Yi Jianlian wird neben Yao Ming in der kommenden Saison der zweite Chinese in der NBA sein. Ob er sich allerdings ebenso wie der Star der Houston Rockets durchsetzen wird, erscheint fraglich. Zumal bereits über sein richtiges Alter Uneinigkeit herrscht. Es könne sein, dass er drei Jahre älter ist, schreibt „China Daily“. Es sei ein offenes Geheimnis, dass einige Jugendmannschaften in China sich durch falsche Altersangaben Vorteile verschafften. Mit 22 Jahren wäre Yi Jianlian als Spieler schon ausgereift, seine Entwicklungsmöglichkeiten wären eingeschränkter.

Beliebtester Sport neben Fußball

Er dürfte nicht der letzte Chinese in der NBA sein. Im Volk der 1,3 Milliarden Menschen entwickelt sich Basketball neben Fußball zum beliebtesten Sport. Der Sportsender CCTV 5 wiederholt immer noch die Finalserie zwischen den San Antonio Spurs und den Cleveland Cavaliers, obwohl diese bereits vor zweieinhalb Wochen zu Ende gegangen ist. Auf den Straßen laufen junge Männer in – zumeist gefälschten – NBA-Trikots von Tracy McGrady, Dwayne Wade oder Kobe Bryant herum. Die amerikanischen Stars gelten als cool, eine Umfrage der NBA in China ergab, dass Yao Ming in seinem Heimatland bei den Trikotverkäufen nur auf Rang fünf rangiert.

Auch in den Schulen konzentriert man sich inzwischen auf die Sichtung von Basketballtalenten. „Ein Chinese mit dem Talent eines Nate Robinson hätte früher Tischtennis gespielt“, sagt Goro Nakajima, „heute spielt er Basketball.“ Der Manager für die Asien-Pazifik-Region von der Sportartikelfirma Nike hat in Peking zum sechsten Mal ein Camp für die besten asiatischen Talente durchgeführt, vor zwei Jahren war auch Yi Jianlian Teilnehmer seines Programms. „Das Niveau wird immer besser“, sagt Nakajima, „es werden noch mehr chinesische Spieler in die NBA kommen.“ Das hätte für die in ihrer Heimat kriselnde nordamerikanische Liga den angenehmen Effekt, dass sie sich den Boom-Markt China weiter erschließen könnte. Als Marketing-Maßnahme will Nakajima den Draft von Yi Jianlian allerdings nicht verstanden wissen. „Am Ende des Tages geht es für die Teams darum, Spiele zu gewinnen“, sagt er.

Den chinesischen Spielern fehlt oft die Kreativität

Als Nakajima das Camp zum ersten Mal durchführte, lagen die chinesischen Jungs nach der ersten Trainingseinheit mit Krämpfen auf dem Boden und mussten sich erschöpft behandeln lassen. „Die hatten in ihren Vereinen zwar sechs bis acht Stunden pro Tag trainiert“, sagt Nakajima, „aber nur mit geringer Intensität.“ Inzwischen habe sich das zwar geändert, doch das Niveau der Basketballtrainer in China sei noch immer nicht sehr hoch.

Einen kulturellen Unterschied zu den USA und Europa gibt es noch. „Die chinesischen Spieler sind nicht kreativ“, sagt John Patrick. Der amerikanische Trainer des Bundesligaaufsteigers BG 74 Göttingen ist im All-Asia-Camp für das Training der Guards zuständig. „Hier wird von oben nach unten unterrichtet“, sagt John Patrick, die chinesischen Trainer erteilten Befehle, die Spieler müssten sie befolgen. Nur selten seien Eigenverantwortung und Spielwitz gefragt. Ein Mangel, der bereits in der chinesischen Kultur angelegt sein könnte. So müssen die Schüler zu Beginn ihrer Schulzeit jene 3000 Schriftzeichen stur auswendig lernen, die sie im täglichen Gebrauch benötigen werden.

Einer wie Luol Hanchen, der spektakuläre Pässe zu seinen Mitspielern zaubert, fällt da schon auf. „Mein Vorbild ist Steve Nash, am liebsten würde ich auch für die Phoenix Suns spielen“, sagt er. Schon jetzt konzentriert sich der 13-Jährige hauptsächlich auf Basketball, nur noch zwei Tage pro Woche geht er in die Schule. Angesichts dieses Intensivprogramms sagt ein amerikanischer Campbeobachter: „Hoffentlich behält er seinen Spielwitz.“ Nach dem Foto darf Luol Hanchen dem NBA-Star Nate Robinson die Hand geben. Vielleicht sehen sie sich ja irgendwann auf einem NBA-Spielfeld wieder.

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