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Die Dressur ist schwer zu verstehen.

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CHIO in Aachen: „Die Piaffe ist versammelter Trab auf der Stelle“

Christoph Hess erklärt als Kommentator den Zuschauern beim CHIO die Dressur, denn es ist ein sehr komplizierter Sport. Und er hält nichts von der Rollkur.

Herr Hess, Sie erklären Zuschauern in Aachen die Dressur. Warum?
Die Dressur ist an sich sehr schwer zu verstehen. Zuschauer, die selbst nicht reiten, sehen verschiedene Choreografien vor sich und hören Noten von fünf bis sieben Richtern. Warum der eine Reiter besser gewesen sein soll als der andere, ist für sie kaum nachzuvollziehen. Deswegen versuchen wir in Aachen, den Zuschauern über einem Knopf im Ohr die Lektionen und Bewertungen zu erklären.

Was für Reaktionen bekommen Sie?

Zunächst einmal ist es nicht so einfach, das richtige Mittelmaß zwischen zu banalen und zu komplizierten Erklärungen zu finden. Deswegen freut es mich, wenn mir ein Nicht-Reiter sagt, dass er einen Grand-Prix-Ritt endlich verstanden hat – und auch, wenn sich ein Profi darüber freut, noch etwas dazuzulernen. Ich fände es aber trotz der vielen Reaktionen gut, wenn wir eine Hörerbefragung durchführen würden. Um zu sehen, wie gut mich die breite Masse versteht und ob die Art der Moderation ankommt.

Welche Lektionen sind denn leichter, welche schwerer zu beschreiben?

Der fliegende Wechsel ist recht gut zu beschreiben und auch die Piaffe und Passage. Die Pirouette ist schon schwieriger.

Können Sie die Piaffe einmal erklären?

Grob gesagt ist die Piaffe ein sehr versammelter Trab auf der Stelle. Und zwar wirklich auf der Stelle und nicht auf einer Strecke von ein paar Metern.Bei Totilas sieht man dies in Perfektion: Er hebt die Beine hoch, bewegt schwungvoll seinen Körper und hat einen tollen Ausdruck.

Christoph Hess, 63, arbeitet bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Außerdem ist der Kommentator selbst Dressur- und Vielseitigkeitsrichter und Berufsreitlehrer.
Christoph Hess, 63, arbeitet bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Außerdem ist der Kommentator selbst Dressur- und Vielseitigkeitsrichter und Berufsreitlehrer.

© promo

Und die Versammlung?

Der versammelte Trab ist genauso schwungvoll wie der starke Trab, die Tritte des Pferdes sind nur kürzer. Wird sie richtig ausgeführt, kann der Reiter jederzeit zwischen dem versammelten und starken Trab wechseln. Führt er sie nicht richtig aus, hält er das Pferd nur mit dem Zügel fest und es trabt einfach langsamer. Auf die genaue Analyse der Lektionen kommt es mir aber gar nicht so an.

Sondern?

Ich versuche eher, dem Zuschauer einen Gesamteindruck zu vermitteln. Am Ende soll der Zuschauer wissen, ob sich der Reiter auf einem guten Weg befindet oder nicht – und wie die Ritte im Vergleich zu bewerten sind. Ein gut gerittenes Pferd erkennt man daran, dass es auf einer geraden Linie die Grundgangarten Schritt, Trab, Galopp ohne Probleme zeigen kann. Es bewegt sich losgelassen und zeigt ein aufgewecktes Ohrenspiel, schwingt locker den Schweif hin und her und geht im Takt, so dass der Reiter ruhig und balanciert sitzen kann.

Ist es denn nicht schwierig, die Ritte zu bewerten, ohne die Pferde zu kennen? Ohne sie selbst einmal geritten zu haben?

Ich beobachte die Pferde sehr gut und kann viel in ihrer Körpersprache lesen. Dadurch kann ich mir gut vorstellen, wie es sich anfühlen würde, auf dem Pferd zu sitzen. Außerdem bilde ich Reiter und Pferde seit Jahren in der Dressur aus.

Währenddessen ist die Dressur immer beliebter geworden. Warum?

Zum einen natürlich liegt das natürlich am Totilas-Effekt. Und dann haben wir momentan sehr gute Reiterinnen und Reiter wie Helen Langehanenberg, Dorothee Schneider und Kristina Sprehe.

Das erklärt aber noch nicht die Faszination an der Dressur.

In der Dressur geht es ja gerade nicht um das Dressieren, sondern um das harmonische Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter auf höchstem Niveau. Das mögen die Menschen. Reiter, die verbissen erfolgreich sein wollen und den Sieg über das Wohl des Pferdes stellen, will niemand sehen. Dann werde ich schnell zum Anwalt des Pferdes.

Werden Sie das auch bei Methoden wie der Rollkur, für die Matthias Rath kritisiert wurde?

Bei der Rollkur wird der Pferdekopf ja mithilfe der Zügel in Richtung Brust herabgezogen, um es gefügig zu machen. Das lehne ich ab. Wenn, dann sind Hilfszügel meiner Meinung nach in Ordnung. Aber selbst dann nur, wenn ein erfahrener Reiter sie für eine kurze Dauer benutzt. Mittlerweile hat Matthias Rath auch selbst eingeräumt, dass er zeitweilig auf dem Holzweg mit Totilas war. Das Pferd war viel schwieriger, als er und sein Team es sich vorgestellt hatten. Wenn man einen Ferrari kauft, dann weiß man, was man für sein Geld bekommt. Bei einem Pferd ist das nicht so. Seit ihrem Comeback habe ich aber noch nichts Negatives gehört.

Haben Sie das Duo auch schon gerichtet?

Ja, in Hagen vor zwei Jahren.

Hat er dort auch vorher die Rollkur angewandt?

Das hat er, aber ich habe erst später davon gehört und es nicht selbst gesehen. Ich hatte das Paar aber drei Tage vorher in der Vorbereitung gesehen, wo Totilas so frech und hengstig war, dass Matthias Rath kaum eine Chance hatte, ihn zu bändigen. Die Prüfung in Hagen haben sie aufgrund ihrer sehr guten Vorstellung trotzdem gewonnen. Jetzt bin ich gespannt, was sie in Aachen zeigen.

Das Gespräch führte Marie Rövekamp.

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