zum Hauptinhalt
Seifert

© dpa

Christian Seifert: "Wir beteiligen uns nicht an diesem Irrsinn"

DFL-Chef Christian Seifert über die schlechten Chancen deutscher Klubs in der Champions League und den Kommerz der Bundesliga.

Herr Seifert, wer wird neuer Trainer bei Bayern München?



Sicher ein renommierter Coach. Einen Tipp will ich aber nicht abgeben.

Warum nicht? Sie wurden als Nachfolger von Manager Uli Hoeneß gehandelt.

Ich habe meinen Vertrag bei der Deutschen Fußball-Liga gerade verlängert.

Dann stellen wir Ihnen eine Frage, die den deutschen Fußball betrifft: Wann können die Bayern mal wieder die Champions League gewinnen?

Das hängt auch davon ab, wie lange dort noch Finanzdoping zulässig ist. Derzeit pumpen sich Klubs unnatürlich mit finanziellen Mitteln auf, die nicht aus dem Kerngeschäft Fußball kommen. Die Uefa muss endlich sicherstellen, dass die Champions League wieder ein sportlicher Wettbewerb wird, in dem nur Klubs spielen, die sich das leisten können. Wenn ich lese, dass Manchester United trotz europäischer Erfolge tiefrote Zahlen schreibt und dass der FC Liverpool fast so viele Verbindlichkeiten hat wie die gesamte Bundesliga, dürfte es sehr schwer sein, diesen Wettbewerb zu gewinnen, wenn man seriös wirtschaftet. Wenn bei einer Ruderregatta ein Achter gegen einen Vierer antritt, steht der Sieger auch vorher fest.

Ein deutscher Verein kann also gar nicht die Champions League gewinnen?

Es ist zumindest sehr schwer, denn der Sport wird leider immer mehr zum Beiwerk. Beim Spiel Chelsea gegen Manchester spielen 700 Millionen Euro Schulden gegen 800 Millionen Euro Schulden. Da bin ich doch froh und sogar ein wenig stolz, dass sich kein deutscher Klub an diesem Irrsinn beteiligt.

Aber nicht jeder Fußballfan sieht erst die Geschäftsberichte der Klubs durch, bevor er sich ein Spiel anschaut, oder?


Man darf die Fans nicht unterschätzen. Die bekommen mit, dass in Italien die Stadien marode sind und die Gewaltbereitschaft groß ist. Es ist auch bekannt, dass in Spanien manche Vereine vor der Insolvenz stehen. Selbst in England wird mittlerweile kritisiert, wenn dort ein Scheich mit seinem Fußballhobby gegen einen anderen Scheich mit Fußballhobby antritt.

Wie lange können Sie noch verhindern, dass ein Scheich seinem Hobby bei einem Bundesligaklub nachgeht?

Natürlich haben wir ein Interesse, neues Kapital in die Bundesliga zu locken, soweit es eine seriöse und ernstgemeinte Investition ist. Ich bin jedoch dagegen, dass sich ein weggeputschter thailändischer Premierminister einen Verein zulegt, den er bei nächster Gelegenheit weiterverkauft. Oder dass irgendein Finanzhai seine Schulden auf einen bis dahin gesunden Bundesligisten überträgt. Was die wirtschaftliche Solidität betrifft, sind wir die stärkste Liga der Welt.

Sie wollen also die 50+1-Regel nicht kippen, die vorschreibt, dass ein Bundesligaverein immer die Mehrheit behält?


Zur aktuellen Diskussion möchte ich kein Votum abgeben. Aber sogar den Gegnern dieser Regel ist klar: Ohne Filter und ohne Kontrolle soll kein Investor einen Bundesligisten übernehmen. Außerdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass schon heute Einzelpersonen oder Firmen einige Vereine prägen – nicht nur Hoffenheim.

Die Bundesliga klagt immer, dass sie zu wenig Geld hat. Teilweise ist sie aber selbst schuld. Noch läuft etwa die Auslandsvermarktung nicht wie gewünscht.

Moment mal! Wir haben die Umsätze aus dem Ausland seit 2005 verdreifacht. In den nächsten drei Jahren werden wir 35 Millionen Euro an die Klubs ausschütten. Wir haben sicher an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungsbedarf, aber wer behauptet, die Bundesliga habe in diesem Jahr eine schlechte Auslandsvermarktung, hat keine Ahnung.

Der Profifußball schimpft derzeit ziemlich laut über andere, etwa über Werbeverbote der Politik oder den Fernsehmarkt. Zuletzt auf dem DFB-Bundestag wurde die mangelnde Unterstützung der Bundespolitik beklagt. Warum lamentieren Sie so?

Zunächst mal müssen wir uns selbst hinterfragen. Die Liga hat vielleicht zu lange unterschätzt, wie sehr politische Entscheidungen durchschlagen. Wir brauchen nun einen ehrlichen und umfassenden Dialog mit der Politik. Wir wollen nicht wehklagen und um Hilfe bitten, sondern Alternativen aufzeigen. Der Profifußball ist eine Wachstumsindustrie mit 35 000 Arbeitsplätzen. Gleichzeitig ist die Bundesliga das Zugpferd des Fußballs, unterstützt die Amateur- und Jugendarbeit mit zig Millionen. Wer die Bundesliga auf die wirtschaftliche Komponente reduziert, wird ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht gerecht. Die Besonderheiten des Sports sind zu berücksichtigen. Das müssen und werden wir verstärkt erklären.

Dann erklären Sie doch mal, warum Bierwerbung in der Bundesliga so wichtig ist, um den Amateurfußball zu erhalten!


Wenn Alkoholwerbung verboten wird, fehlt auch eine Menge Amateurvereinen ein Sponsor – und viele Musikfestivals in Deutschland hätten erhebliche Probleme.

Die Formel 1 hat das Tabakwerbeverbot auch überlebt.

Dafür fährt sie jetzt in Bahrain und China. Werbeverbote sind doch inkonsequent. Nehmen Sie die Sportwetten: Für private Anbieter darf nicht geworben werden, aber staatliche sind weiterhin erlaubt. Und an Tankstellen und in Kasinos rattern die Glücksspielautomaten weiter. Das ist alles kaum noch nachvollziehbar.

Sie wollen doch nur mehr werben, damit die Fußballprofis mehr verdienen.


Natürlich verdient mancher Fußballspieler so viel Geld, dass auch mir die Augen wehtun. Aber warum spielen denn so viele Kinder Fußball? Weil sie gerade diesen Stars nacheifern. Und die Bundesliga überweist nicht nur die Gehälter der Stars, sondern auch Steuern und Abgaben an den Staat sowie einen Solidarbeitrag an den DFB. Die Spieler der Bundesliga versteuern ihr gesamtes Gehalt in Deutschland – woanders zahlen Profis nur den ermäßigten Künstlersatz. Und gegen diese Künstler treten wir dann in der Champions League an.

Sie klingen enttäuscht.


Es geht eben nicht, dass Politiker am Wochenende beim Stadionbesuch von der Integrationskraft des Fußballs schwärmen und unter der Woche im Bundestag auf die Millionäre in kurzen Hosen schimpfen. Im Sportausschuss des Bundestages gab es zuletzt Kritik am neuen Bundesligaspiel am Sonntagnachmittag. Da wird der Fußball politisch benutzt, um im Vorfeld des Wahlkampfes Stimmung zu machen.

Aber auch viele Amateurvereine fürchten den Bundesliga-Spielplan ab der kommenden Saison, weil sie selbst am Sonntagnachmittag spielen.

Der DFB-Bundestag hat gezeigt, dass es gar keinen grundsätzlichen Gegensatz von Profis und Amateuren gibt. Es ist völlig klar: Nur eine gesunde Spitze garantiert eine funktionierende Basis. Wenn es der Bundesliga nicht gut geht, geht es dem DFB auch nicht lange gut. Die Diskussionen über die Anstoßzeiten sind Scheingefechte. Glauben Sie, dass ein Zuschauer weniger zum Gelsenkirchener Kreisligisten SC Schaffrath kommt, weil jetzt ein Sonntagsspiel von Schalke nicht mehr um 17 Uhr, sondern um 15.30 Uhr angepfiffen wird? Der, der jetzt nicht mehr kommt, war auch schon vorher nicht da.

Muss die Bundesliga immer kommerzieller werden?

Wenn die Fans die Bundesliga als überkommerzialisiert empfinden würden, hätte sie wohl kaum jedes Wochenende 400 000 Zuschauer in den Stadien und zehn Millionen vor den Bildschirmen. Die Verankerung bei den Fans ist unser höchstes Gut. Wir wissen, dass wir beim Kommerz nicht überdrehen dürfen. Fakt ist aber auch, dass die wirtschaftliche Ausgangsposition der Bundesliga zunehmend kritisch wird. Wir haben einen äußerst schwierigen Medienmarkt mit einer geringen Pay-TV-Verbreitung und gleichzeitig regulatorische Vorgaben durch das Bundeskartellamt und die Politik, die uns erheblich zu schaffen machen.

Steht es so schlimm um die Liga?

Der Erfolg der Bundesliga beruht auf drei Faktoren: sportliche Leistungsfähigkeit, gesellschaftliche Relevanz und wirtschaftliche Solidität. Alle drei Faktoren bedingen einander. Das heißt: Wenn die wirtschaftliche Basis in Schieflage kommen sollte, können wir zum einen nicht mehr im bisherigen Maße ins sportliche Produkt investieren – also in Stars, aber auch in Nachwuchsleistungszentren. Das führt früher oder später zu einem nachlassenden Interesse der Fans. Gleichzeitig sinken aber auch die Möglichkeiten, den Amateur- und Breitensport zu unterstützen. Und die modernste und sicherste Stadion-Infrastruktur der Welt will ebenso finanziert werden wie günstige Eintrittspreise.

Ist das eine Drohung, die Eintrittspreise zu erhöhen?

Nein, eine Feststellung. Wir wollen keine Geschenke von der Politik. Wir wollen lediglich faire Rahmenbedingungen, um solide wirtschaften zu können. Die Bundesliga darf nicht zum Spielball werden – weder des Marktes noch der Regulierung.

Sie wollen die Bundesliga zu einem Sportmedienunternehmen machen. Entfremden Sie den Fußball vom Spiel?

Es gab mal Zeiten, da spielte man in einer Schiesser-Unterhose mit der Märklin-Eisenbahn vor einem Grundig-Fernseher, auf dem die Bundesliga lief. Nur eines dieser Unternehmen ist wirtschaftlich stärker als je zuvor. Die Vergangenheit ist wichtig, aber wichtiger ist die Zukunft. Das heißt nicht, dass wir alles machen, was technisch hip ist und Geld bringt. Aber wir wissen, was mit dem Medien-Produkt Bundesliga möglich ist. In China stehen eine Menge Server, die die Bundesliga illegal im Internet streamen. Weil wir das wissen, beschäftigen wir uns intensiv mit digitalen Schutzmechanismen.

Herr Seifert, in der Fußballfunktionärswelt mit ihren ganzen Ex-Spielern wirken Sie zuweilen wie ein Outsider. Fühlen Sie sich auch so?


Nein. Bei den Klubs der Bundesliga ziehen auch zunehmend Experten von außerhalb in die Vorstände ein – etwa aus den Bereichen Finanzen und Vermarktung. Aber natürlich ist und bleibt sportliche Kompetenz unerlässlich. Sie ist unser Kerngeschäft.

Sind Sie denn gar kein Fan?

Ich mag Borussia Mönchengladbach, aus professionellen Gründen allerdings nur in einem kleinen Winkel meines Herzens.

Das Gespräch führte Robert Ide.

Zur Startseite