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Christoph Daum.

© dapd

Christoph Daum: Per Du mit Mourinho und Ferguson

Christoph Daum fühlt sich zu groß für Frankfurt. Vor dem Abstiegsduell mit Werder Bremen träumt er von Europa.

Die stählernen Absperrgitter an der asphaltierten Verbindung zwischen Bahnweg und Otto-Fleck-Schneise sind neu. Und die blickdichten grünen Planen rund um den Trainingsplatz an der Wintersporthalle auch. Und damit garantiert keiner auf dumme Gedanken kommt, haben sich böse dreinschauende Security-Leute mit schwarzer Weste rund um die Frankfurter Arena auf allen erhöhten Positionen postiert, die am Donnerstag einen Blick auf das Übungsareal der Frankfurter Eintracht gewähren könnten. Die totale Abschottung hat Christoph Daum veranlasst, der neue emotionale Einpeitscher, der sonst keinerlei Scheu vor öffentlichen Auftritten verspürt.

Vor seinem Heimdebüt gegen Werder Bremen am Freitagabend wird der 57-Jährige bei diesem Thema grundsätzlich, denn er versteht nicht, dass deutsche Profiklubs immer noch Tür und Tor zur Übungsstunde öffnen. „Bei 80 von 120 Vereinen in Europa gibt es kein öffentliches Training mehr. Ich kann Spieler anders kritisieren, es ist eine ganz andere Atmosphäre.“ Selbst schuld seien die gegnerischen Klubs, die sich nicht verschanzen – Daum hat alle Einheiten erst in Wolfsburg und nun in Bremen beobachten lassen, „das ist Professionalität“.

Es gibt keinen anderen in der Liga, der Pressekonferenzen so geschickt zum umfassenden Vortrag in eigener Sache umfunktioniert wie Daum. Die Fragestunde mit dem in feinem Anzug und grau-blau- orangefarbenen Schlips erschienenen Fußballlehrer fand ausnahmsweise im Eintracht-Museum statt; einer Erinnerungsstätte an eine glorreiche Vereinsgeschichte, die weitgehend in einer fernen Vergangenheit spielt. Doch in nostalgischen Erinnerungen will der weltgewandte, in Köln beheimatete und in Frankfurt wohnende Daum gar nicht schwelgen. „Tradition muss ein Sprungbrett sein – und nie ein Ruhekissen.“

Der vorerst nur bis zum Saisonende gebundene Retter hat jedenfalls nicht die Absicht, es sich auf Ruhekissen bequem zu machen und hält sich selbst alle Optionen offen. Wie anders sind Ausschweifungen zu verstehen, als Daum darüber fabulierte, Frankfurt sei ein Verein, „den ich eigentlich nicht im Beuteschema hatte“. Und überhaupt denke er ja „in anderen Kategorien“, in jenen, „die sich zur Champions League orientieren“. Wie zum Beleg fielen in seinen Ausführungen irgendwann die Namen José Mourinho und Sir Alex Ferguson – so als seien dies seine Duzfreunde. Dabei hat Daum dummerweise unter der Woche gerade Historisches aus dem Europapokal glatt verschlafen – beim Schalke-Spiel war er zur Halbzeit im Hotelzimmer eingeschlummert. Das Wunder von Mailand habe er erst mitbekommen, als er gegen halb fünf morgens vor dem Fernseher aufgewacht sei, „dann habe ich meinen Augen und Ohren nicht getraut“.

Die Anekdote soll dazu dienen, seinen Arbeitseinsatz zu kennzeichnen. Der Satz, „einige sind im Overload-Bereich“, bezog sind allerdings auf jene Schar Spieler, die den deutlich erhöhten Trainingsumfang mit Muskelverletzungen bezahlt haben. Mit viel Pathos beschrieb Daum, dass die Saison für die Hessen „bis zur letzten Sekunde ein Tanz auf der Rasierklinge“ werde.

Es sind markige Sätze wie diese, die dem Allesverbesserer ein Alleinstellungsmerkmal geben. Heribert Bruchhagen, der konservative Vertreter an Frankfurts Vereinsspitze, überlässt Daum derzeit gerne die Bühne. Immerhin: Der ständige Dialog zwischen beiden Alphatieren findet statt, „wir wohnen ja unter einem Dach“, konstatierte Daum. Der Trainer residiert in jenem feudalen Hotel auf der Sachsenhäuser Mainseite, in dem Bruchhagen seit Jahren ein schmuckes Dach- Apartment bewohnt. Seine Rolle in der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft hat Daum noch mal klar umrissen: „Ich versuche alle mitzunehmen und voranzugehen. Es braucht Mitreißer, die Impulse geben.“ Sechs Spieltage vor Saisonende, mitten im Abstiegskampf, scheint auch egal, welche Halbwertszeit sie besitzen.

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