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Copa América: Gewinnen wie früher

Im Endspiel der Copa América heißt der Favorit nicht Brasilien, sondern Argentinien.

Es ist lange her, dass sich die Fans den Rio de la Plata hinauf und Richtung Feuerland landabwärts als „Campéon“ fühlen durften. Sicher, der Nachwuchs von der U 23 gewann bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen Gold. Die Fans in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires interessiert neben Boca Juniors oder River Plate jedoch nur die „Selección mayor“, die Nationalmannschaft der gestandenen Profis. Die jagt aber seit 1993 vergeblich einem Titel von internationalem Rang hinterher.

Wenn heute um 17.05 Uhr Ortszeit (23.05 Uhr MESZ) in Venezuelas Ölhafenstadt Maracaibo das Finale der Copa America gegen Brasilien angepfiffen wird, hoffen die Argentinier auf ein Rendezvous mit der Vergangenheit. Aber nicht mit der jüngsten, zu der die Endspiel-Pleiten bei der Copa America 2004 und dem Konföderationen-Cup 2005 gegen den ungeliebten, weil oft im entscheidenden Moment besseren Erzrivalen Brasilien zählen.

Stattdessen beschwören sie die verblassenden Erinnerungen an Ekuador 1993, als Torhüter Sergio Goycochea in den Elfmeterkrimis gegen Brasilien und Kolumbien zum Helden wurde, und die beiden Tore von Gabriel Batistuta den Argentiniern beim 2:1-Finalsieg gegen Mexiko den insgesamt 14. Titel bei der Copa einbrachten. Eine Marke, die nur noch Uruguay aufweist und von der Brasilien mit seinen sieben Siegen bei Südamerika- Meisterschaften weit entfernt ist.

Auf Argentiniens Trainerbank damals: Alfio Basile. „Coco“, wie der 63-Jährige seit seinen Kindertagen genannt wird, steht heute im Estadio Pachencho Romero erneut an der Außenlinie, wird mit gestrengem Blick und dem dank Pomade akkurat zurückgekämmten, aber schon schütteren Haar dem Tun seiner Untergebenen unaufgeregt folgen. Seine Anweisungen mit der rauchigen Stimme sind markant genug. „Ich bin zufrieden mit dem, was die Jungs hier geleistet haben, aber nun heißt es auch, das Finale zu gewinnen. Es ist das Glied in der Kette, das uns noch fehlt“, sagt Basile. Sein Team ist nach den teilweise furiosen Offensivleistungen im bisherigen Turnier der Favorit für das Finale. Basile feierte bereits Triumphe bei der Copa America 1991 und 1993 und holte zuletzt fünf Titel mit Boca Juniors in nur einem Jahr. Seit September 2006 ist er nun wieder Nationaltrainer.

Basile verkörpert den in Argentinien so lange vermissten Siegesgeist. Aber er ist auch Realist. „Versagen! Tod! D-Day! Hören wir auf zu dramatisieren“, appelliert er an die Journalisten aus seinem Land. „Wenn schon das bloße Verlieren ein Versagen ist, dann würde niemand mehr gegen Roger Federer antreten, der ja gegen alle gewinnt.“

Nicht weit von Basile entfernt sitzt derweil Carlos Dunga, die Haare wie Igelborsten ausgefahren, das Temperament nur mühsam gezügelt. Dunga ist 20 Jahre jünger als Basile, aber auch er steht für glorreiche vergangene Tage. Als Spieler führte er Brasilien 1994 mit großer Hingabe nach 24 Jahren vegeblichen Wartens endlich wieder zu einem WM-Titel. Auf seine Führungskraft vertraute einst auch der VfB Stuttgart – und seit der WM-Pleite in Deutschland auch Brasiliens Verbandsboss Ricardo Teixeira.„Unser Abschneiden bei der Copa America beeinflusst nicht die Haltung der Verbandsspitze gegenüber dem Trainer“, hatte der allmächtige Funktionär vorab verkündet. Wie wohl von Teixera befürchtet, wankte die Selecao in Venezuela und mühte sich mit dem von Dunga bevorzugten Sicherheitsfußball durch das Turnier. Es reichte aber zur fünften Finalteilnahme bei den letzten sechs Copa-Turnieren. Die Kritik an Dunga in seiner Heimat ist deshalb verstummt – vorerst. „Die Pessimisten wetten immer auf eine Niederlage. Die Chancen stehen aber bei 50:50“, sagt der 43-Jährige.

Wenn auch die Fußballfanatiker am Zuckerhut das „jogo bonito“, das schöne Spiel, vermissen – für die Spieler ist der Weg Dungas der richtige. „Jetzt, wo wir im Finale sind, muss man zugeben, dass die Arbeit unter Dunga Früchte trägt“, sagt der ehemalige Leverkusener Juan. Der Sieg am Abend in Maracaibo wäre für Alfio Basile eine Bestätigung, für Carlos Dunga aber ein unerwarteter Erfolg.

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