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Nicht nur in öffentlichen Verkehrsmitteln. Unions Torwart Rafal Gikiewicz trug auch vor der Abfahrt ins Trainingslager einen Mundschutz. Foto: Matthias Koch/Imago

© imago images/Matthias Koch

Coronavirus könnte Geisterspiele stoppen: Das Projekt Bundesliga-Neustart ist fragil

Die Coronavirus-Fälle bei Dynamo Dresden sind ein weiterer Dämpfer für die Fußball-Bundesliga. DFL-Chef Seifert gibt sich dennoch zuversichtlich.

Von Johannes Nedo

Den Samstagabend haben die Fußball-Profis des 1. FC Union Berlin so verbracht, wie wohl viele Deutsche bei dem schönen Wetter. Sie saßen draußen im Grünen und haben gemeinsam gegrillt. Das war denn aber auch die einzige Ablenkung in der abgeschiedenen Sportschule von Barsinghausen. In der niedersächsischen Provinz bereitet sich der Bundesligist bis Freitag in seinem Quarantäne-Trainingslager auf das Neustart-Heimspiel gegen Bayern München am nächsten Sonntag vor – und setzt dabei also auf absolute Ruhe.

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Hertha BSC. Der Klub aus Westend hat sein Quarantäne-Hotel am Sonntag bezogen – am Ku’damm. Zwei Etagen stehen den Profis und Betreuern bis Freitag exklusiv zur Verfügung, es ist das übliche Mannschaftshotel von Hertha. Der Vereinskoch versorgt dort das Team, das täglich in Bussen zum Trainingsgelände gebracht wird. Am Samstag steht dann bei der TSG Hoffenheim das erste Spiel nach rund zwei Monaten Pause an.

Natürlich beteuern nun alle Klub-Verantwortlichen, dass sich alle an die Hygiene-Regeln halten. Wie fragil jedoch das gesamte Projekt Neustart der Bundesliga ist, zeigt sich an den neuen Fällen beim Zweitligisten Dynamo Dresden. Dort wurden am Samstagabend zwei positiv auf das Coronavirus getestete Spieler gemeldet. Das örtliche Gesundheitsamt schickte daraufhin die komplette Mannschaft für zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Damit müssen die nächsten beiden Zweitliga-Spiele mit Dresdner Beteiligung verschoben werden.

Die Aussichten für die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die verbleibenden neun Spieltage durchzubekommen, sind damit ziemlich getrübt: Wenn es weitere Coronavirus-Fälle bei anderen Vereinen gibt und die kompletten Mannschaften im Spielbetrieb ebenfalls von den lokalen Gesundheitsämtern in Quarantäne gesteckt werden – so wie es von der Politik gefordert wird –, bricht das gesamte Konzept früher oder später zusammen.

Seifert: "Ich interpretiere das nicht als Rückschlag"

Als Chef der DFL ist Christian Seifert in diesem Punkt selbstverständlich Optimist. Am Samstagabend reagierte er im „Aktuellen Sportstudio“ daher auch folgendermaßen: „Ich interpretiere das nicht als Rückschlag. Es war völlig klar, dass das passieren konnte.“ Vom großen DFL-Plan bringt das Seifert nicht ab. „Wenn Dresden jetzt 14 Tage in die Quarantäne geht, dann ist das für den Moment noch kein Grund, die Fortführung der Zweiten Liga komplett in Frage zu stellen“, sagte er. Allerdings musste er auch einräumen: „Es gibt sicherlich eine Größe, dann ist das irgendwann nicht mehr machbar.“ Eine exakte Zahl nannte er jedoch nicht.

Allzu viele Klubs dürften es jedenfalls nicht sein. Schließlich muss Dynamo Dresden nun nicht nur zwei Partien nachholen, die Spieler werden nach zwei Wochen in häuslicher Quarantäne auch einen enormen Trainingsrückstand gegenüber der Konkurrenz haben. Schnell könnte von den Dresdner Vereinsvertretern das gefährliche Wort „Wettbewerbsverzerrung“ fallen. Dynamo steckt im Abstiegskampf. Mit der bisher präsentierten Solidarität unter den 36 Profi-Klubs könnte es dann auch schnell vorbei sein.

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Seifert will das natürlich mit aller Macht verhindern. Sein oberstes Ziel ist es, so viele Spiele wie möglich abzuhalten. Das wiederum liegt aber nicht mehr allein den Händen der DFL. Und so verteidigte er am Samstagabend auch nicht mehr so vehement das Hygienekonzept, das nur eine häusliche Quarantäne für infizierte Spieler vorsah: „Es ist relativ egal, was wir uns mal gedacht haben. Die staatlichen Stellen geben den Takt vor. Momentan hätte ich es mir anders gewünscht.“ Man ändere nach dem Fall Dresden dennoch nicht das Ziel, sondern „wenn überhaupt die Pläne“, sagte er.

Seiferts Auftritt zeigte auch, wie hilflos die DFL in der aktuellen Situation der Erlaubnis der Politik ausgesetzt ist. „Kann ich nicht sagen“, „die Frage kann ich nicht beantworten“ oder „das ist hypothetisch“ sagte er zu Szenarien, die nun bei weiteren Positivtests im Spielbetrieb drohen – und die von der DFL offensichtlich nicht vorbereitet werden können.

Sicher ist: der Neustart der Bundesliga wird ein großer Test. Viele weitere Dämpfer können sich die DFL und die Vereine nicht leisten. Die grenzenlose Vorfreude der Deutschen schlägt ihnen derzeit eh nicht entgegen. Und den Ruf, ein abgehobener Showbetrieb zu sein, können die Bundesligisten nicht mit Grill-Abenden ablegen – sondern mit konsequenten und realistischen Entscheidungen. (mit dpa)

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