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Sport: Cup der Angst

Im Uefa-Pokal wollte sich Hertha BSC Selbstvertrauen holen, stattdessen sind die Zweifel jetzt größer denn je

Berlin. Auch als alles vorbei war, hielten die Spieler von Hertha BSC noch einen komfortablen Sicherheitsabstand. Aus der Kurve kamen Pfiffe und böse Worte, und auf dem Weg zu ihren Fans drehten die Spieler schon am Fünfmeterraum wieder um. Nur Andreas Neuendorf schritt weiter voran, und als er sah, dass sich die Kollegen in seinem Rücken verdrücken wollten, gab Neuendorf ihnen ein Handzeichen, sie sollten ihm gefälligst folgen. Dass Herthas Spieler sich den eigenen Fans am Ende doch noch stellten, war an diesem Abend ihre einzige mutige Aktion.

„Wir haben es nicht verstanden, die Angst von uns wegzunehmen“, sagte Trainer Huub Stevens nach dem 0:0 im Uefa-Cup gegen Groclin Grodzisk aus Polen. „Angst ist ein schlechter Ratgeber. Man muss Mut zeigen.“ Im Europapokal gegen den unbekannten Gegner aus Polen wollte sich Hertha nach dem missglückten Saisonstart Selbstvertrauen holen. Doch durch das 0:0 gegen Grodzisk sind die Selbstzweifel größer geworden als je zuvor. „Wir haben ohne Herz gespielt“, sagte Fredi Bobic. „Wir sind nicht mit Selbstvertrauen ins Spiel reingegangen“, sagte Bart Goor. „So macht es nicht viel Spaß“, sagte Kapitän Dick van Burik. Alle drei sind potenzielle Führungsspieler, aber die Mannschaft taumelte gegen Grodzisk führungslos durch die Krise. „Wir bringen einfach nichts rüber“, sagte Bobic. „Wir müssen uns schämen.“

Die Zuschauer riefen: „Stevens raus!“ Das ist in solchen Fällen die einfachste Variante, „weil die Fans nicht elf Spieler rausrufen können“, wie Goor sagte. „Dass wir schlecht gespielt haben, hatte nichts mit dem Trainer zu tun.“ Van Burik fand es peinlich „für eine Mannschaft, die ihren Trainer so im Stich lässt“. Stevens, dem gelegentlich Wankelmut in Aufstellungsfragen vorgeworfen wird, hatte die Mannschaft mit der gleichen taktischen Formation anfangen lassen wie am Wochenende beim 2:2 in Bochum. Dieses Unentschieden war als erster Schritt in eine bessere Zukunft gewertet worden. Offenbar zu voreilig. Fredi Bobic klagte, dass alle nach dem 2:2 in Bochum schon zufrieden waren: „Man darf sich da nicht blenden lassen.“

Das Problem liegt in den Köpfen. „Der Körper kann es nicht sein“, sagte Bobic, „wir haben erst sechs Spieltage hinter uns.“ Aber die Verunsicherung steckt offensichtlich noch tiefer, als viele das befürchtet hatten. „Der Kopf bestimmt, ob du spritzig bist oder die richtigen Laufwege machst“, sagte Stevens. Herthas Trainer beobachtete an der Seitenlinie, dass seine Spieler geradezu um Probleme gebettelt hätten, „und die haben wir bekommen“. Bart Goor hatte das Gefühl, „dass keiner an den Ball kommen will. Von der ersten Minute sind wir nicht im Spiel gewesen. Es läuft nicht einen Meter.“

Die Verzweiflung wird begleitet von Ratlosigkeit. Woher kommt die Angst? „Das frag ich mich selbst auch“, sagte Goor. Warum hat die Mannschaft den Aufschwung aus dem Spiel in Bochum nicht mitnehmen können? „Ja, das ist komisch“, sagte Goor. Wie kommt man aus dieser Situation wieder heraus? „Weiß ich nicht“, sagte Goor. Die Mannschaft habe „so viel geredet, alles versucht“. Ohne Ergebnis. Huub Stevens lässt die Mannschaft heute im Olympiastadion trainieren, weil er alle Kleinigkeiten berücksichtigen will.

Am Mittwochabend hat Dieter Hoeneß, die Initiative ergriffen. Und wenn der Manager einschreitet, ist das immer so etwas wie das letzte Mittel. „Ich bin nicht bereit, die Verantwortung immer wieder auf den Trainer zu übertragen“, sagte Hoeneß gestern. Vor dem Training der Mannschaft blieb er 40 Minuten in der Kabine. Nach einem solchen Spiel gebe es eben einiges zu besprechen.

Schon am Abend zuvor, gleich nach dem Schlusspfiff, war die Wut aus ihm herausgebrochen. So erregt hatte man Hoeneß noch nie erlebt. Was die Mannschaft gegen Grodzisk geboten habe, „ist mir in der momentanen Situation einfach zu wenig“. Herthas Manager drohte sogar damit, Spieler rauszuwerfen. Und daran hat sich auch über Nacht nichts geändert. Aber: „Es müssen Anlässe da sein“, sagte Hoeneß. Vor dem Spiel am Sonntag gegen den Hamburger SV werde daher nichts passieren. Aber für den Fall, dass Hertha dann wieder nicht überzeugt, ahnt Fredi Bobic bereits, „wird es bedrohlich“.

Hoeneß’ Reaktion war ein Zeichen dafür, dass er sich fast persönlich beleidigt fühlt. „Insgesamt ist das Klima in Ordnung“, sagte er. Auch Trainer Stevens hat „noch immer Vertrauen in die Truppe, aber du kannst nicht ständig Vertrauen behalten“. Die Spieler haben gewissermaßen eine letzte Chance erhalten. „Es ist nicht mehr lustig“, sagte Huub Stevens. „Das muss jetzt mal deutlich werden.“

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