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Nicht zu fassen. Niklas Süle leistete zu beiden Toren der Japaner einen wichtigen Beitrag.

© Foto: AFP/Antonin THUILLIER

Schlotterbeck und Süle patzen: Flicks folgenschwere Fehlbesetzung der Viererkette

Besonders hart fällt die Kritik an Aushilfs-Rechtsverteidiger Niklas Süle aus. Ein Weltmeister von 2014 wird auf ihn angesprochen gar richtig wütend.

Jamal Musiala saß in Reichweite von Niklas Süle, aber dass er seinem Kollegen aus der Nationalmannschaft nur deswegen ein paar nette Worte widmete, ist natürlich auszuschließen. Der 19 Jahre alte Musiala meinte es wirklich ernst. „Es ist eklig, gegen ihn zu spielen“, sagte der junge Münchner über Süle, der bis zum Sommer noch mit ihm beim FC Bayern unter Vertrag gestanden hatte. „Er ist schnell, er ist stark.“

Anfang dieser Woche besetzten Süle und Musiala bei der Pressekonferenz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gemeinsam das Podium. Man scherzte, die Stimmung war blendend. Erst ein paar Tage ist das her – und wirkt inzwischen doch wie aus einer anderen Zeit.

Niklas Süle, 27, war am Mittwochabend nicht nach Scherzen zumute, als er wortlos durch die Mixed-Zone des Khalifa International Stadiums in Al-Rayyan verschwand. Die gute Laune bei der Nationalmannschaft hatte sich nach der Auftaktniederlage gegen Japan ebenfalls verflüchtigt.

Und bei der Frage, wie es ist, gegen Süle zu spielen, dürften die Angreifer aus Japan zu einer gänzlich anderen Antwort gekommen sein als Jamal Musiala ein paar Tage zuvor. Sie hatten den kantigen Verteidiger der Deutschen eher als hilfsbereit und zuvorkommend empfunden.

Dass die Nationalmannschaft ihr Gruppenspiel gegen Japan trotz einer 1:0-Führung noch 1:2 verloren hatte, hing eng mit Niklas Süle zusammen.

Der Dortmunder war an den beiden späten Toren der Japaner entscheidend beteiligt gewesen. Vor dem Ausgleich machte er dem Vorbereiter Takumi Minamino die Bahn in den deutschen Strafraum frei; vor dem Siegtreffer der Asiaten hob er das Abseits auf.

Das ist ein klassischer, richtig schwerer Abwehrfehler.

ARD-Experte Bastian Schweinsteiger über Niklas Süle

Bastian Schweinsteiger war angesichts dieses Fehlverhaltens außer sich. Der Experte der ARD ist bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er in seiner Kritik allzu persönlich wird. Im Gegenteil. Oft kommt bei seinen Einsätzen fürs Fernsehen noch der frühere Spieler in ihm durch.

Und mit Niklas Süle verbindet ihn sogar eine besondere Beziehung. Das letzte Länderspiel von Bastian Schweinsteiger im Sommer 2016 war zugleich das erste von Niklas Süle. Der Debütant wurde damals für den Routinier eingewechselt.

Trotzdem lederte Schweinsteiger am Mittwoch in der ARD los wie noch nie. „Das ist ein klassischer, richtig schwerer Abwehrfehler“, sagte er über Süles Verhalten vor dem 1:1. Und zu dessen Unachtsamkeit vor dem 1:2: „Der Fehler darf nie passieren.“

Zu fehleranfällig. Trotz viel Talent hat sich Nico Schlotterbeck immer wieder als Sicherheitsrisiko herausgestellt.
Zu fehleranfällig. Trotz viel Talent hat sich Nico Schlotterbeck immer wieder als Sicherheitsrisiko herausgestellt.

© Foto: dpa/Robert Michael

Bundestrainer Hansi Flick stand daneben und schwieg betreten. Zu einer Widerrede vermochte er sich nicht aufzuraffen.

Man konnte das Schweigen des Bundestrainers wahlweise als Zustimmung oder als Schuldeingeständnis deuten. Flick hatte an diesem Abend mit seinen Personalentscheidungen nicht das glückliche Händchen gehabt. Vor allem nicht bei der Besetzung der Viererkette.

Etwas überraschend hatte er Süle als Rechtsverteidiger aufgeboten – anstelle des zuletzt fast immer gesetzten Thilo Kehrer. Und in der Zentrale bekam Nico Schlotterbeck den Vorzug vor Matthias Ginter, der beim SC Freiburg, dem Überraschungsteam der Bundesliga, in dieser Saison durch konstant gute Leistungen überzeugt hat.

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Elfmeter hat Nico Schlotterbeck in sieben Länderspielen verursacht.

Das konnte man von den beiden Dortmundern Süle und Schlotterbeck nicht behaupten. In ihrem letzten Einsatz vor der WM-Pause hinterließen sie bei der 2:4-Niederlage des BVB gegen Borussia Mönchengladbach einen geradezu bemitleidenswerten Eindruck. Gegen Japan stellten sie sich in der Schlussphase kaum besser an. „Jeder Einzelne weiß normalerweise, was er auf seiner Position zu tun hat“, sagte Flick. Normalerweise.

Der Bundestrainer schätzt sowohl Süle als auch Schlotterbeck, weil sie die nötige Schnelligkeit für die von ihm präferierte Form der Vorwärtsverteidigung mitbringen. Doch der 22 Jahre alte Schlotterbeck ist – bei allem Talent – in der Nationalmannschaft bisher vor allem durch seine gemeingefährliche Fehleranfälligkeit aufgefallen.

In den sechs Länderspielen vor seinem WM-Debüt verschuldete er bereits drei Elfmeter. Und so wie er Takuma Asano vor dessen Tor zum 2:1 Geleitschutz lieferte, hatte er offenbar die berechtigte Angst, dass ihm erneut ein Foul mit Folgen unterlaufen könnte. Statt einzugreifen und seinen Gegenspieler zu attackieren, tat er lieber: nichts.

Flick wehrte sich trotz der offenkundigen Fehler dagegen, einen Einzelnen als Schuldigen für die Niederlage herauszupicken. Aber, sagte er, „Sie können wirklich davon ausgehen, dass wir jede Person, jede Position diskutieren“. Für Nico Schlotterbeck und Niklas Süle verheißt das nichts Gutes.

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