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Sport: Dank an Jesus und andere

Aufatmen bei den Favoriten: Hertha kommt in den Uefa-Cup, Leverkusen bleibt oben – und Bielefeld steigt ab

DIE KONFERENZSCHALTUNG ZUM BUNDESLIGAFINALE

Nürnberg, 15.21 Uhr. Bayer Leverkusen mag sich im Abstiegskampf nicht mit dem Gedanken an ein Auswärtsspiel abfinden. Für den eher symbolischen Beitrag von fünf Euro pro Person hat der Verein 3500 Eintrittskarten inklusive Bustickets verkauft. Die Claqueure sitzen erwartungsfroh im Nürnberger Stadion – in Trikots, die früher von den Herren Ballack, Zé Roberto und Kirsten getragen wurden.

Bielefeld, 15.22. Bielefelds Fans befestigen ein Plakat am Zaun. „Wir schaffen das“ steht darauf. Hannovers Fans dürfte diese Diktion nicht unbekannt vorkommen, sagt doch ihr ehemaliger Landesvater Gerhard Schröder häufiger solche Sätze. Doch Hannover muss nichts mehr schaffen. Vielleicht ziehen Hannovers Fans deswegen ihre T-Shirts aus und werfen sie in den Innenraum.

Berlin, 15.25. Hertha hat sich etwas ausgedacht. Jeder Spieler läuft als Buchstabe auf das Feld, als sie nebeneinander stehen, ist zu lesen: DANKE FANS! Marcelinho bildet das Ausrufezeichen. Mit Bllons unterstreicht der Klub, dass die Partie gegen Kaiserslautern als Freudenveranstaltung geplant ist.

Mönchengladbach, 15.34. „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, wie ich leide.“ Das ist von Goethe, aber es beschreibt ganz gut, was die etwa 30 000 Gladbacher Fans auf dem ausverkauften Bökelberg gerade empfinden. Werders Torhüter Borel ist noch ganz benebelt. Von den pyrotechnischen Produkten, die Bremens Fans hinter seinem Tor entzündet haben. Vielleicht auch vor Glück. In der vierten Minute hat Demo das Lattenkreuz getroffen.

Berlin, 15.36 . Es knallt im Berliner Olympiastadion. Das Spiel hat schon begonnen, trotzdem treten die Spieler bei jeder Gelegenheit einen blauen oder weißen Luftballon kaputt. Ähnlich lieblos wird in der Anfangsphase auch der Ball behandelt.

Hamburg, 15.38. Der HSV macht es spannend im Kampf um den Uefa-Cup-Platz, der ihm ja eigentlich kaum noch zu nehmen ist. In der achten Minute schießt Barbarez einen Elfmeter an die Rostocker Latte. Hirsch soll Cardoso gefoult haben. Na ja.

Nürnberg , 15.41. Der Club will gar nicht erst den Eindruck aufkommen lassen, er lasse Leverkusen kampflos zum Klassenerhalt kommen. Mittelfeldspieler Jarolim, der wohl zu Bayer wechseln wird, grätscht mit vollem Einsatz in Leverkusener Abwehrbeine. Trotzdem ist Bayer drückend überlegen. Berbatow und Bastürk vergeben die ersten Torchancen.

Mönchengladbach, 15.47. Wenn das Fohlen wiehert, steigt die Spannung: Dann werden auf dem Bökelberg die Zwischenergebnisse von den anderen Spielen angezeigt. Tore in München und Stuttgart, keine in Berlin, Bielefeld, Hamburg und Nürnberg. Gladbach bleibt erstklassig, Bremen spielt im Uefa-Cup. Im Moment.

Nürnberg, 15.58. Luxuriöses Leverkusen: Erst köpft Juan vorbei, dann Berbatow, und auch Neuville zielt neben das Nürnberger Tor. Drei Großchancen innerhalb einer Minute! Nürnbergs Fans singen: „Wir steigen ab, und ihr kommt mit!“

Bielefeld, 15.59. Bielefelds Brinkmann glaubt, im Strafraum gefoult worden zu sein. Der Schiedsrichter ist anderer Meinung. Obwohl Brinkmann schon eine Gelbe Karte gesehen hat, regt er sich fürchterlich auf, läuft an den Zaun und zerrt vor Wut an einem T-Shirt, das dort herumliegt. Langsam fängt es an, ein richtiges Fußballspiel auf der Alm zu werden.

Nürnberg, 16.08. Jetzt singen die Leverkusener Fans, siegestrunken auf den Zäunen des Nürnbergers Stadions. Bastürk hat das 1:0 geschossen, das Tor, mit dem Bayer wohl die Liga halten wird.

Berlin, 16.09. Hier bemüht man sich um Stimmung. Eine Kapelle spielt „blau-weiße Hertha“, obwohl die doch heute ganz in Weiß spielt. Auf den Rängen wird es lauter, auf dem Rasen bleibt es ruhig.

Mönchengladbach, 16.10. Nur die halbe Wahrheit liegt heute auf dem Platz. Die andere steht auf der Anzeigetafel. Genau in dem Moment, als dort Leverkusens Führung verkündet wird, will Korzynietz einen Einwurf ausführen. Er wirft – und dann rutscht ihm der Ball aus der Hand über die Seitenlinie. Totenstille auf dem Bökelberg.

Berlin, 16.13. Berlins Ersatzspieler stürzen auf das Spielfeld. Aus der anderen Seite rennt Rafael auf sie zu, man trifft sich in der Mitte. 1:0 für Hertha BSC. Die Blitztabelle sagt: Hertha ist im Uefa-Cup.

Hamburg, 16.15. Die Spannung lässt nach. Erst sieht Rostocks Aduobe die Gelb-Rote Karte, dann verwandelt der Hamburger Cardoso einen Freistoß zum 1:0. Kein HSV-Fan zweifelt mehr am Uefa-Cup-Platz.

Bielefeld,16.16 . So sehen Absteiger aus. Die Spieler von Arminia Bielefeld schleichen zur Halbzeit vom Spielfeld. Die Zuschauer pfeifen. Ganz viele Tore müsste Bielefeld schießen, um Gladbach noch in den Abstiegskampf miteinzubeziehen. Was bleibt: Eine Minimalchance und sieben Abseitspfiffe stehen nach 45 Minuten zu Buche.

Mönchengladbach, 16.19. Die Konkurrenz führt, Bremen ist raus aus dem großen Spiel Uefa-Cup – und Libero Verlaat aus diesem. Ein langer Pass von Strasser auf Forssell, Verlaat zupft am Trikot des Finnen, Schiedsrichter Stark zeigt Rot.

Nürnberg, 16.41. Der Club jubelt – Cacao hat getroffen. Der Brasilianer reißt sich das Trikot hoch und blickt entsetzt hinüber zum Linienrichter, der die Fahne oben hat. Abseits. Leverkusen ist noch einmal davon gekommen.

Bielefeld, 16.42. Irgendwo im Stadion auf der Alm muss ein Fernseher stehen, auf dem ein paar Fans das Nürnberger Tor miterlebt haben. Allerdings ist der Linienrichter mit seiner Fahne wohl ausgeblendet worden. Keiner hat die Abseitsentscheidung mitbekommen – und ganz Bielefeld feiert. Minutenlang. Welche Tragik.

Hamburg, 16.44. Alles klar beim HSV. Barbarez hat gerade das 2:0 erzielt.

Mönchengladbach, 16.48. Tor auf dem Bökelberg! Die Gladbacher müssen keine Angst mehr haben. Kluge tanzt im Strafraum einmal nach rechts, dann einmal nach links und schiebt den Ball dann mitten ins Bremer Tor: 1:0. Gladbach bleibt drin, Werder ist draußen. Jetzt endlich kommt Werders Torjäger Ailton.

Berlin, 16.49 . Auf dem Feld passiert nichts, aber die Zuschauer jubeln plötzlich. „Ha-ho-He, Hertha BSC.“ Auch der letzte Spieler von Hertha muss gemerkt haben: In Mönchengladbach ist etwas passiert.

Nürnberg, 16.52. Der Club ist am Ende. Die Spieler halten das von Bayer vorgelegte hohe Tempo nicht mehr mit. Neuville und Babic vergeben Großchancen. Der 1. FC Nürnberg gibt sich auf.

Berlin, 16.54. Die Zuschauer fordern den scheidenden Publikumsliebling: „Paule Beinlich!“ Trainer Stevens aber wechselt Neuendorf ein.

Bielefeld, 16.57. Es wird ruhig in Bielefeld. Die Zuschauer haben allmählich verstanden, dass das Nürnberger Tor nicht zählte. Auf dem Spielfeld tut sich nichts.

Mönchengladbach, 17.02. Tor auf dem Bökelberg. Ketalaer flankt von links, sieht Mikael Forssell und findet Skoubo. Mit einem Flugkopfball macht der Däne alles klar! Kurz darauf macht der zuvor so oft ausgelachte Skoubo noch das 2:0. Borussia ist in der Bundesliga, Hertha im Uefa-Cup.

Berlin, 17.08. Es wird laut im Olympiastadion. Nein, es ist kein weiteres Tor gefallen, aber Preetz verlässt den Platz. Herthas Kapitän beendet seine Karriere. Die Fans feiern Preetz und den Mann, der für ihn kommt. Es ist Beinlich.

Bielefeld, 17.10. Es passiert doch noch etwas. Nach einer Flanke von Steiner, bringt Casey Hannover in Führung. Die Bielefelder Zuschauer gehen nach Hause. Keiner weiß, wann sie das nächste Mal wieder ein Erstligaspiel sehen werden.

Berlin, 17.11. Rafael schießt das 2:0, doch alle Berliner rennen zu Beinlich. Er hat den Pass gegeben.

Mönchengladbach, 17.12. Gladbach trifft schon wieder – diesmal allerdings ins eigene Tor. Korzynietz lenkt eine Flanke von Reich genau in den Winkel.

Nürnberg, 17.14. Bayer feiert eine Selbstverständlichkeit, den Klassenerhalt. Der Brasilianer Lucio zeigt sich im T-Shirt mit der Aufschrift: „Danke Jesus.“ Trainer Augenthaler, vor ein paar Wochen in Nürnberg entlassen, geht wortlos in die Kabine.

Mönchengladbach, 17.16. Noch ein Tor für die Borussia. Es ist das Abschiedsgeschenk von und für den scheidenden Forssell. 4:1. Dann ist Schluss.

Berlin, 17.17. Die Spieler ziehen sich vorgefertigte Jubel-T-Shirts über. Manager Hoeneß geht auf Trainer Stevens zu und nimmt ihn in den Arm. Es ist noch einmal gut gegangen. Alle feiern.

Unsere Reporter: Karsten Doneck (Hamburg), Erik Eggers (Bielefeld), André Görke (Nürnberg), Stefan Hermanns (Mönchengladbach), Michael Rosentritt (Berlin).

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