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Sport: Dankbarkeit und russische Seele

Tischtennisspielerin Irina Palina weicht vom Typ des Profis abVON FRIEDHARD TEUFFEL BERLIN.Es gibt eine simple Erklärung dafür, warum Irina Palina im Tischtennis hart und viel trainiert.

Tischtennisspielerin Irina Palina weicht vom Typ des Profis abVON FRIEDHARD TEUFFEL BERLIN.Es gibt eine simple Erklärung dafür, warum Irina Palina im Tischtennis hart und viel trainiert.Und warum sie mehrere Monate im Jahr ihre Heimat Moskau verläßt, um im ihr noch immer fremden Westeuropa, für den Berliner TSC als Nummer eins spielend, zu arbeiten.Keineswegs wegen der Bezahlung allein.Irina Palina gehört nicht zu den Spitzenverdienerinnen der Bundesliga.Ihr Honorar reicht nicht, um noch in ein paar Jahren davon zu zehren.Nein, "es ist das Gefühl zu gewinnen.Deswegen ist Tischtennis für mich wie eine Droge", sagt sie. Je länger Palina über sich erzählt, desto leichter fällt es, diese Aussage nachzuvollziehen.Ihre langsamen, manchmal trägen Bewegungen an der Platte, ihre Zurückhaltung ließen ihrer Ansicht nach bei den Zuschauern den Eindruck entstehen, sie sei etwas lustlos.Im Inneren sehe es jedoch ganz anders aus."Ich bin eine emotionale Spielerin.Der einzige Unterschied ist, daß manche das zeigen und manche nicht." Als Spielertyp, der mit Gefühl bei der Sache ist, kann sie im Gegensatz zu anderen einen Sieg in vollen Zügen auskosten."Aber weil ich so emotional bin, nehme ich Niederlagen manchmal unheimlich schwer", sagt die 27jährige.Daran habe sich auch nach 15 Jahren in der russischen Nationalmannschaft nichts geändert. Es paßt, daß Rainer Lotsch, Manager des Berliner TSC, Irina Palina nach dem Aufstieg im April nicht aus rein rationalen Gründen verpflichtet hat.Natürlich zählt sie zu den besten Spielerinnen in Europa.Mit der Nationalmannschaft hat sie den letzten kontinentalen Titel gewonnen, im Einzel scheiterte sie erst im Viertelfinale an der Deutschen Jie Schöpp.Trotzdem: "Es war in erster Linie eine Entscheidung aus dem Bauch heraus", berichtet Lotsch.Dabei mag die Vorliebe des Tischtennisfunktionärs für das Abwehrsystem eine Rolle gespielt haben.Bevor Tischtennis in der DDR auf staatlich verordnete Vernachlässigung stieß, feierte Lotsch mit dem TSC in den 60er Jahren zwei Europacupsiege.Garant für den Erfolg: Vizeweltmeisterin Gabi Geißler, eine Abwehrspielerin. Berlin unterscheide sich grundlegend von ihrer letzten Station, sagt Palina."Bei Statisztikas Budapest gab es wesentlich bessere Trainingsbedingungen, vielleicht die besten in Europa.Außerdem gelingt es dort besser, Spieler großzuziehen.In Deutschland kauft man Spieler ein." Mit ihren Leistungen für den TSC ist Palina noch nicht zufrieden."Es tut mir leid, daß ich noch nicht die Ergebnisse gebracht habe, die man von mir erwartet.Vielleicht bin ich ja einfach zu schlecht." Bescheidenheit zeichnet Irina Palina aus.Doch mit ihrer Einschätzung liegt sie glücklicherweise daneben.Zum einen hat sie bislang mehr Spiele gewonnen als verloren.Als Verteidigerin ist das beachtlich.Denn die im Spitzenpaarkreuz der Bundesliga zahlreich vertretenen Chinesinnen haben das Gewinnen gegen Abwehrspielerinnen gelernt. Palinas Einstellung zum Sport, aber auch ihr feiner Charakter sind Lotsch eine nachträgliche Bestätigung für die Verpflichtung der Russin."Sie ist ein intelligenter und ernsthafter Mensch.Man kann sie nicht so behandeln wie ein Vollprofi, ihr Geld geben und sagen: Gewinn deine Spiele", sagt er.Im Gegensatz zu anderen zeige Palina auch für das Selbstverständliche Dankbarkeit."Wahrscheinlich ist das die russische Seele." Gegen den Meisterschaftsfavoriten Kletthamm-Erding (heute, 17 Uhr, Saefkow-Halle) rechnet der Manager nicht mit einem Sieg, aber auf jeden Fall mit attraktivem Spiel seiner Vorzeigedame.Und Irina Palinas sportliche Ziele? Mit dem Berliner TSC möchte sie gerne am Europacup teilnehmen und mit der Nationalmannschaft noch einmal Europameister werden."Das ist unser Traum", sagt sie, fragt aber vorsichtig nach: "Darf ich träumen?"

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