zum Hauptinhalt
Novak Djokovic küsst erstmal den Siegerpokal von Wimbledon.

© AFP

Darauf einen Grashalm: Wimbledon-Finale: Djokovic demontiert Nadal

Novak Djokovic setzt sich im Duell der neuen gegen die alte Nummer eins in vier Sätzen durch und beschert Titelverteidiger Rafael Nadal damit die erste Niederlage in Wimbledon seit 2007.

Die Anspannung schien greifbar zu sein auf dem Center Court von Wimbledon, 15 000 Zuschauer hielten den Atem an. Novak Djokovic hatte einen Matchball und ließ den Ball eine gefühlte Ewigkeit lang vor sich auftippen, wie er es immer tut, wenn es so besonders wichtig ist. Und wichtiger war es für den 24 Jahre alten Serben nie zuvor gewesen: Nur noch ein Punkt trennte ihn von seinem ersten Wimbledonsieg, von nichts anderem hatte er schon seit seiner Kindheit geträumt. Djokovic hämmerte den Aufschlag ins Feld, Rafael Nadal geriet sofort in die Defensive und schließlich segelte seine Rückhand hinter die Grundlinie. Djokovic ließ sich auf den Rücken fallen und blieb ausgestreckt auf dem Rasen liegen. Alle Anspannung löste sich, er hatte Nadal 6:4, 6:1, 1:6 und 6:3 nicht nur geschlagen – er hatte den Titelverteidiger förmlich demontiert.

„Das ist der schönste Tag meines Lebens“, sagte Djokovic, „ich glaube, ich schlafe immer noch und alles ist nur ein Traum.“ Doch sein dritter Grand-Slam-Titel war Realität. Und als ob es noch eines Beweises für ihn bedurfte, beugte er sich über den Rasen, riss ein paar Grashalme heraus und aß sie auf. „Ich fühlte mich wie ein Tier“, sagte er, „Ich wollte sehen, wie es schmeckt – es schmeckt gut.“ Als er den Cup in Händen halten durfte, stand Nadal abseits mit seinem silbernen Trostpreis und wirkte getroffen.

Nur zwei seiner zuvor zwölf Grand-Slam-Finals hatte der 25 Jahre alte Mallorquiner verloren, nur Roger Federer vermochte ihn bisher zu bezwingen – beide Male in Wimbledon. Auch für Nadal war dieser Ort etwas Besonderes. Nirgendwo mögen ihn die Zuschauer so wie hier. Nadal hatte Djokovic fair gratuliert, wie es seine Art ist, und gesagt: „Ich habe alles gegeben, aber ein Spieler war heute stärker als ich.“ Doch sich anzuschauen, wie Djokovic den Cup genüsslich küsste, ertrug er fast nicht.

Selten war bei einem Grand-Slam-Finale der Ausgang vorab so offen gewesen, wie dieses Mal. Trotz 47 Siegen in 48 Saisonspielen gab es Zweifel, ob er dem Druck würde standhalten können. Auch konnte Djokovic den Spanier in vier Masters-Endspielen bezwingen, doch war ihm das noch nie bei einem Grand Slam gelungen. Zudem hatte Djokovic ihn zwar mit seinem Finaleinzug bereits als Nummer eins der Weltrangliste abgelöst, dennoch wusste er, dass er gegen Nadal auch den Beweis dafür antreten musste. Sonst hätte Nadal zwei der vier wichtigsten Titel der Saison gewonnen, Djokovic aber nur jenen in Australien. Seine Position hätte einen Makel gehabt.

Doch Djokovic legte furios los. Wie entfesselt spielte der Serbe auf, gewann fast alle langen Rallyes von der Grundlinie und brachte selbst scheinbar unerreichbare Bälle wieder zurück. Seit er im Winter sieben Kilogramm nach einer Ernährungsumstellung verloren hatte, ist Djokovic noch beweglicher und defensiv stärker geworden, als er es ohnehin schon war. Nadal kämpfte mit der gleichen Verbissenheit, die ihn immer auszeichnet, dennoch wurde er von Djokovic phasenweise ausgespielt. Nach nur 1:15 Stunden lag Nadal bereits mit 0:2 nach Sätzen zurück.

Beide spielten hochklassiges Tennis mit niedriger Fehlerquote. Nadal schien zu Beginn des dritten Satzes das Momentum kippen zu können, doch seine furiose Aufholjagd endete mit dem Break gegen sich im vierten Durchgang zum 3:5. Djokovic wollte sich seinen Traum an diesem Tag von niemandem mehr zerstören lassen: „Ich habe heute alles erreicht, was ich je erreichen wollte. Der Weg war nicht einfach, aber ich hätte nicht härter dafür kämpfen können.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false