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Umstrittenes Spektakel. Tausende Zuschauer bestaunen alljährlich das Themserennen zwischen Oxford (links) und Cambridge, wie hier auf der Hammersmith-Brücke. Unter den Studenten selbst ist das Boat Race dagegen nicht unbedingt beliebt. Foto: Reuters

© REUTERS

Das Boat Race: Lieber Ziege als Ruder

Am Sonntag findet das 160. Boat Race an der Londoner Themse statt. Viele Studenten wenden sich vom legendären Ruderwettkampf zwischen Oxford und Cambridge ab.

Auf der Spitalfields City Farm in London wird am Sonntag ein Wettkampf zwischen den zwei berühmtesten Universitäten Großbritanniens stattfinden. Auf dem städtischen Bauernhof werden Studenten aus Oxford und Cambridge ihre Helden anfeuern, wenn sie um die Ehre gegeneinander antreten. Beim „Goat Race“.

Im „Goat Race“ laufen zwei Ziegen auf ihrem normalen Weg vom Feld in den Stall. Die eine trägt Hellblau für Cambridge, die andere Dunkelblau für Oxford. Es ist natürlich ein Spaßevent. Alle Einnahmen werden für gute Zweck verwendet, und die Leute können die Rivalität zwischen Oxford und Cambridge genießen, ohne sich am übertriebenen Hype ums „Boat Race“ beteiligen zu müssen.

Denn der Ruderwettkampf, der am Sonntag zum 160. Mal auf der Londoner Themse ausgetragen wird, ist nicht bei allen Studenten beliebt. Zwar bringt das Event immer Tausende von Zuschauern an die Themse, aber in den Sälen, Straßen und Bars von Cambridge und Oxford herrscht nur noch selten spürbare Vorfreude. Viele Studenten haben inzwischen sogar eine aktive Abneigung gegen das Rudern entwickelt.

Zwar bleibt Rudern, vor allem wegen des Boat Race, die Hauptsportart in Cambridge und Oxford. Jeden Morgen wachen Studenten um 5 Uhr auf, um ihr Rudertraining vor der ersten Vorlesung zu erledigen. Doch das ist auch das Problem: Für Ruderer gibt es mehr Trainingseinheiten, mehr Mannschaften, und vor allem mehr finanzielle Mittel als für andere Sportler. Keine Studentenzeitung, kein Theater und keine Fußballmannschaft bekommt in Cambridge und Oxford annähernd so viel Geld zur Verfügung gestellt wie die Ruderklubs.

Im Pembroke College der Universität Cambridge wurden letztes Jahr 6500 Pfund aus dem College-Fonds an den Ruderklub gegeben. Als zweitwichtigster Klub bekam das Badmintonteam 1700 Pfund. Von den 20 000 Pfund, mit denen das College alle seine Sportklubs und Gesellschaften finanziert, bekommt der Ruderklub somit mehr als ein Viertel. In anderen Colleges sind die Zahlen ähnlich.

„Die Kluft ist nicht nur enorm, sondern auch ungerecht“, sagte ein ehemaliger Präsident des Pembroke-Studentenparlaments. Die Finanzierung durch das College selbst macht auch nur einen Teil des Ruder-Reichtums aus. Durch Sponsoren und Spenden von ehemaligen Studenten kann etwa der „Pembroke Boat Club“ über ein jährliches Budget von rund 50 000 Pfund verfügen. Kein Wunder, dass die Nicht-Ruderer ein bisschen sauer auf die sogenannten „Boaties“ sind. Die Privilegien sind für viele ein gutes Beispiel dafür, dass Oxford und Cambridge oft mehr Wert auf ihre Traditionen als auf die Wünsche ihrer aktuellen Studenten legen.

Auch die Ruderer selbst haben einen schlechten Ruf. Über ihre Saufkultur und ihr arrogantes, snobistisches Auftreten ereifern sich viele sogar mehr als über die ungerechte Finanzierung. Hinzu kommt, dass die Teilnehmer des Boat Race nicht aus der Mitte der Studenten stammen, sondern meist extra dafür rekrutiert werden und sich nur für ein Jahr pro forma an der Universität einschreiben. „Ich gehe nicht zum Boat Race, weil ich keinen da kenne“, sagt ein Cambridge-Student, „da rudern nicht meine Kumpels – ich würde lieber zum Fußballspiel gehen.“ Das Fußballspiel Oxford gegen Cambridge findet immer am selben Wochenende statt.

Das Boat Race bleibt eine große Veranstaltung, aber es ist längst nicht das Highlight des Sportjahres in Oxford und Cambridge, das es einmal war. Für viele steht Rudern nur für das, was sie unangenehm am Uni-Leben finden. Deswegen lehnen sie das ganze Ding ab. Und gehen lieber zur Spitalfields City Farm, um das „Goat Race“ zu unterstützen. Für die Cambridge-Studenten bietet sich dort übrigens auch die bessere Chance, einen Sieg zu sehen: Mit Barney, dem Geißbock, hat die hellblaue Mannschaft nie verloren.

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