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DAS DUELL DER REGISSEURE Mesut Özil tritt aus dem Schatten von Lionel Messi: Arbeiter tanzt Kleinkünstler aus

Mitte der ersten Halbzeit laufen sie ein erstes Mal gegeneinander. Lionel Messi bekommt an der Mittellinie an den Ball, täuscht rechts an, zieht auf die andere Seite hinüber, und schon ist er an Mesut Özil vorbei, aber ein deutsches Bein steht im Weg und der Angriff versandet im Nichts.

Mitte der ersten Halbzeit laufen sie ein erstes Mal gegeneinander. Lionel Messi bekommt an der Mittellinie an den Ball, täuscht rechts an, zieht auf die andere Seite hinüber, und schon ist er an Mesut Özil vorbei, aber ein deutsches Bein steht im Weg und der Angriff versandet im Nichts. Eine Szene von vielen, und sie ist typisch. Für das Spiel, aber auch für das Duell der beiden Männer, die den Unterschied machen können zwischen gut und sehr gut, zwischen Sieg und Niederlage, zwischen Halbfinale und Heimreise. Lionel Messi spielt, nach schleppender Anfangsphase, den aktiveren Part. Doch er deutet seine Klasse nur an – es bleibt bei Kleinkunst ohne Einfluss auf das große Ganze.

Özils stärkste Minuten sind die ersten. Gleich der erste deutsche Angriff läuft über seine Füße, herauskommt ein mit perfektem Timing geschlenzter Pass auf Sami Khedira, dessen Laufweg Özil irgendwie erahnt hat, aber der Stuttgarter kommt einen Tick zu spät. Eine stürmische Anfangsphase lang lenkt Özil das Spiel in die von ihm bestimmten Bahnen, scheinbar desinteressiert beobachtet von Messi, der tatenlos, fast lethargisch an der Mittellinie verweilt.

Messi wird zwar noch aktiver, aber er gewinnt nie einen Einfluss auf das Spiel, wie es ihm beim FC Barcelona so oft gelingt. Es reicht immer nur für vereinzelte Geniestreiche, sie beleben das argentinische Spiel, geben ihm aber keine entscheidende Wende. Immer häufiger bleiben Messis Dribblings unvollendet, weil sich zwei, drei Deutsche ihm in den Weg stellen. Er holt einen Freistoß heraus und verschießt ihn, kurz darauf noch ein weiteren, mit ähnlicher Nonchalance wie Cristiano Ronaldo vor ein paar Tagen.

Özil hat die Zeichen des Abends erkannt. Es geht nicht um Kunst, es geht nicht um die Klasse des Einzelnen, es geht um den Charme der Effektivität und die Lust am kollektiven Erfolg. Fernab aller künstlerischen Ambitionen bringt er sich für den Rest des Spiels als fleißiger Ballschlepper ein. Am Ende hat er 11 Kilometer abgespult, Messi nur 8,6. Wenn es denn Ziel der Argentinier war, die Deutschen einzuschläfern, so teilten sie den größten Teil des Langeweileserums unter sich selbst auf. Argentinien wacht nicht mehr auf. Wiederum von der Mittellinie aus bestaunt Messi Müllers Balldiebstahl, den Klose zum 2:0 nutzt. Und zum Schluss belohnt Mesut Özil sich und die deutsche Mannschaft doch noch mit jenem Anflug von Genialität, wie sie nur in seinen Füßen steckt. Mit einem Pass, der zum 4:0 durch Klose führt und der mehr Klasse hatte als alles, was sein Rivale Lionel Messi an diesem einseitigen Nachmittag gezeigt hat.Sven Goldmann, Kapstadt

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