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Sport: Das Ende der Philosophie

In Slowenien ignoriert die Nationalmannschaft alles, was Klinsmann erwartet

Am Ende des Abends, an dem sich die Gegenwart des deutschen Fußballs reichlich blamiert hatte, wurde auch der glorreichen Vergangenheit noch ein schlimmer Tort angetan. Sloweniens Nationaltrainer Branko Oblak verabschiedete sich mit dem Auftrag an die deutschen Journalisten, sie sollten seine alten Freunde Gerd Müller und Sepp Maier herzlich grüßen. Der Dolmetscher übersetzte, kam mit den Namen aber durcheinander: „Noch einen Gruß an Sepp Müller und …“

Der Müller Gerd und der Maier Sepp waren immerhin 1974 Weltmeister. Die aktuellen Nationalspieler wollen das erst noch werden. Mit diesem Ziel hat Jürgen Klinsmann im vorigen Juli sein Amt als Bundestrainer angetreten, und alle, die das für überehrgeizig halten, dürfen sich durch das dürftige 1:0 gegen Slowenien bestätigt fühlen. Das Länderspiel gegen die Nummer 44 der Welt war der schlechteste Auftritt der Nationalmannschaft, seitdem Klinsmann Bundestrainer ist.

„Zufrieden sind wir nur in dem Sinne, dass wir 1:0 gewonnen haben“, sagte Klinsmann. Zur besseren Einordnung des Resultats erinnerte er noch mal daran, dass Italien in der WM-Qualifikation sogar 0:1 gegen den gleichen Gegner verloren habe. Ein Hauch von Rudi Völler steckte in seiner Argumentation. Klinsmanns Vorgänger hat die Schwierigkeiten der eigenen Mannschaft auch oft mit den Schwierigkeiten anderer Mannschaften zu relativieren versucht.

Klinsmann aber hat bisher immer den Eindruck erweckt, dass er mehr erwartet als schnöde Siege, und es war bemerkenswert, wie gleichgültig er den Verrat an seiner Philosophie zur Kenntnis nahm. Klinsmann will mit einem bestimmenden und offensiven Stil erfolgreich sein. Davon war in Celje nichts zu sehen. „Wir haben nicht zu unserem Rhythmus gefunden“, sagte der Bundestrainer. Lukas Podolski, der das 1:0 erzielt hatte, klagte: „Wir haben als Mannschaft nicht überzeugt.“

Die Frage ist, ob die ansehnlichen Auftritte der Nationalmannschaft den Sinn für die Realität getrübt haben. Ist die Substanz vielleicht doch nicht so gut, um den Ansprüchen des modernen Hochgeschwindigkeitsfußballs zu genügen? „Wir nehmen einige Erfahrungswerte mit, die wichtig und interessant sind“, sagte Klinsmann. So haben weder Oliver Neuville noch Frank Baumann nachweisen können, dass sie in die Nationalmannschaft gehören. Ende Mai wird Klinsmann den Kader für den Konföderationenpokal benennen und damit erste ernste Hinweise liefern, welche Kandidaten gute Aussichten haben, bei der WM im nächsten Jahr dabei zu sein. „Wir haben ein gesundes Grundgerüst“, sagt Klinsmann.

Andererseits will der Bundestrainer eine allzu frühe Festlegung verhindern: „Wichtig ist die nächste Saison. Dann müssen die Spieler im Rhythmus sein.“ Wie berechtigt dieser Hinweis ist, hat in Celje der Auftritt von Verteidiger Robert Huth gezeigt. Beim FC Chelsea spielt er kaum, trotzdem wehrt sich Huth mit aller Macht gegen einen Vereinswechsel. Lieber, so scheint es, will er bei Chelsea auf der Bank sitzen, als für Bayern München in der Bundesliga spielen. Gegen Slowenien war Huth mit Arne Friedrich für die Verwirrung in der deutschen Abwehr verantwortlich. „Zum Schluss sind wir von einer Verlegenheit in die andere getaumelt“, sagte Kapitän Michael Ballack.

Es war offenkundig, wie Huth versuchte, sich in das Spiel hineinzukämpfen, wie er dabei wegen fehlender Praxis aber jenen Grat verfehlte, der zwischen geschickter Zweikampfhärte und plumper Gewalt liegt. Klinsmann sagte nach dem Spiel, die Entscheidung über einen Wechsel Huths zu den Bayern werde jetzt „erst einmal auf die längere Bank geschoben“. Bis Mai werde er seine Entwicklung bei Chelsea beobachten, danach könnte es neuen Gesprächsbedarf geben. So wie es aussieht, sind die Chancen der Bayern aber schon am Samstag gestiegen.

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