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Sport: Das Ende der Pirouetten

Neue Stadien, begeisterte Fans: Südafrika hofft auf einen nachhaltigen Effekt der WM, dazu muss aber noch einiges verändert werden

Björn ist Haustechniker und neugierig. In der Johannesburger Wohnanlage, die Björn betreut, lebt ein Deutscher, ein Fußballtrainer. Also fragt Björn den Deutschen, wo dessen Team spiele. „In Soweto“, antwortet Rainer Zobel, „willst du vorbeikommen?“ – „Bist du verrückt? Als Weißer fahre ich da nicht hin!“ Aber er lässt sich überreden. Mittlerweile war er schon bei einigen Spielen im Township vor den Toren Johannesburgs und ist nun Fan von Zobels Team Moroka Swallows.

Wie Björn dachten vor der WM in Südafrika viele weiße Fans. In einer Bar Premier League oder Bundesliga schauen, gerne, aber live? Nein danke.

Durch die WM soll nun alles anders werden. Trotz des frühen Aus für Gastgeber Südafrika soll das Weltturnier den heimischen Fußball fördern, neue Zuschauer und mehr Qualität bringen. So wie es in den USA nach 1994 oder in Japan und Südkorea 2002 war. Deren Nationalteams qualifizierten sich seit den Turnieren im eigenen Land für jede WM. Die Amerikaner führten nach der WM wieder eine Profiliga ein, in der südkoreanischen K-League stieg der Zuschauerschnitt kurzfristig, in der japanischen J-League langfristig.

„Die WM wird dem Fußball in Südafrika einen großen Schub geben“, sagt Nationalspieler Siyabonga Nkosi vom Meister Supersport United. Zuvor hatte er für Arminia Bielefeld in der Bundesliga gespielt. „Wir haben nun gesehen, wie die großen Teams spielen und trainieren, das wird uns weiterbringen.“

Von dem neuen Nationaltrainer Pitso Mosimane wird bereits ein Vierjahresplan gefordert, damit sich Südafrika 2014 nach zwölf Jahren erstmals seit 2002 wieder sportlich für eine WM qualifiziert. Und in der Liga ruhen die Hoffnungen darauf, dass die Stadien und die verbesserte Infrastruktur neue Zuschauerschichten anlocken. „Der nächste Schritt ist, das weiße Publikum ins Stadion zu bekommen“, sagt Ernst Middendorp, Trainer bei Maritzburg United.

Das hat die südafrikanische Premier League Soccer (PSL) auch nötig: Bei 7600 Fans liegt der Zuschauerschnitt. Nach Ende der Apartheid galt Fußball weiter als „schwarzer Sport“. Stadien wurden in Townships gebaut, die vielen als unsicher galten. Durch die zehn WM-Arenen soll dies nun anders werden. Ein Publikumsmagnet wie die Kaizer Chiefs, die einen Zuschauerschnitt von 21 533 haben, dürfte das Ellis-Park-Stadion in Johannesburg zu Spitzenspielen füllen können.

Doch für zwei Stadien, das Peter-Mokaba-Stadion in Polokwane und das Mbombela-Stadion in Nelspruit, gibt es bisher weder Profiteams noch ein Nutzungskonzept. Dass in den Provinzstädten überhaupt Arenen gebaut wurden, hat viel mit Politik, Geschäften und Proporz zu tun, glaubt Zobel. „Niemand wäre 2006 auf die Idee gekommen, ein WM-Stadion in Flensburg zu bauen, damit Schleswig-Holstein vertreten ist.“

Viele der neuen Stadien seien ohnehin unnötig gewesen. „Es gab schon sensationelle Stadien“, sagt Zobel. Auch sein Team Moroka Swallows wird nicht in den großen Johannesburger Stadien, sondern weiter im Dobsonville-Stadion spielen. Die 24 000-Plätze-Arena wurde während der WM nur als Trainingsstadion genutzt. Auch Middendorp wird mit Maritzburg nicht im Moses-Mabhida-Stadion in Durban antreten, sondern im kleinen Woodburn-Stadion in Pietermaritzburg, das nur 12 000 Plätze hat. „Das ist dreimal pro Hin- und Rückserie ausverkauft.“

Um das Niveau der PSL zu heben, hofft Middendorp zum einen darauf, dass durch die WM mehr Europäer nach Südafrika kommen, „um den jungen Spielern Ehrgeiz und Aggressivität vorzuleben“. Zum anderen müsse die Jugendförderung besser werden. „Da wird im Verein oft einfach weiter Straßenfußball gespielt.“ Auch ein Mentalitätswechsel müsse stattfinden. „Da dreht einer drei Pirouetten am Mittelkreis und wird beklatscht, das ist Bullshit.“ Zudem litten viele Spieler an Selbstüberschätzung. Der erste WM-Torschütze Siphiwe Tshabalala war in der Liga bei den Kaizer Chiefs nur Ersatz. Beim Turnier wurde er zur Werbe-Ikone und muss nun im Alltag gegen Selbstzufriedenheit ankämpfen.

Ein erster Schritt Richtung mehr Profitum wurde jedoch schon vor der WM gemacht: Im Mai gab die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bekannt, künftig mit der PSL auf Organisationsebene zu kooperieren. Und wie man ein Stadion voll bekommt, weiß man in der Bundesliga.

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