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Sport: Das Ende der Steinzeit

Vor 40 Jahren beschloss der Deutsche Fußball-Bund die Einführung der Bundesliga – jetzt geht die Liga in ihre 40. Saison

Von Erik Eggers

Heute ist sie ein straff geführtes Wirtschaftsunternehmen, lockt jährlich über zehn Millionen Zuschauer – und trotz Kirch-Pleite, Konjunkturkrise und Schwarzgeld-Affären prognostizieren ihr viele vor der 40. Saison einen noch größeren Boom: die Fußball-Bundesliga. Kein Wunder, dass Timo Konietzka heute noch staunt, dass die Gründung dieser Institution so lange auf sich hatte warten lassen.

Konietzka hat es schon als junger Spieler unglaublich gefunden, „dass die englischen und italienischen Profiligen meilenweit voraus waren“. Seit Jahrzehnten wurde dort bezahlter Fußball gespielt – anders in Deutschland. Als Konietzka 1958 mit 19 Jahren zur Borussia nach Dortmund wechselte, musste er noch als Bergmann arbeiten und danach in der Union-Brauerei. Später organisierte ihm der Klub eine Stelle bei den Stadtwerken. Noch verbot der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Spielern, nur mit Fußball Geld zu verdienen.

Vor genau 40 Jahren war das Ende dieser Fußball-Steinzeit in Sicht. Nach jahrelangem Hin und Her beschloss der 14. DFB-Bundestag am 28. Juli 1962, „vom 1.8.1963 an eine zentrale Spielklasse unter der Leitung des DFB einzuführen“. Das war die formelle Geburtsstunde der Bundesliga. Eigentlich begann die aber dann doch erst mit Konietzka, besser: mit dem von ihm geschossenen ersten Bundesligator am 24. August 1963 gegen Bremen. Trotzdem war noch immer alles „ziemlich primitiv“, sagt Konietzka. Die Spieler durften sich noch nicht einmal Profis nennen. Offiziell hießen sie „Lizenzspieler“ und verdienten maximal 1200 Mark im Monat.

Verträge waren damals „ so ein komisches Zwischending“, erinnert sich Wolfgang Overath. Overath wurde, als er 1962 vom SV Siegburg zum 1. FC Köln wechselte, vom DFB erst mal gesperrt. Schuld daran war „dieser irrsinnige Paragraf beim DFB, der die Amateurvereine schützen sollte". Ein ganzes Jahr lang hat der 19-Jährige damals nur trainiert. Da wanderten die ersten Spieler ob der schlechten Bedingungen schon nach Italien aus. Selbst das Idol Uwe Seeler wankte angesichts verlockender Angebote.

Nach dem kläglichen Abschneiden bei der WM in Chile votierte schließlich sogar Bundestrainer Sepp Herberger für eine nationale Liga. Und tatsächlich: Nachdem der spätere DFB-Präsident Hermann Neuberger ein flammendes Plädoyer gehalten hatte, kam die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Bundesliga zustande. Vielen DFB-Funktionären war dennoch mulmig zumute. Schließlich war es jetzt nur noch ein kleiner Schritt zum offenen Professionalismus. Immer noch steckte in den Köpfen die radikale Parole von Felix Linnemann, dem DFB-Präsidenten der Zwanzigerjahre: „Berufsspieler sind Schädlinge des Sports, sie sind auszumerzen". Leute wie Linnemann verstanden das Fußballspiel als Dienst am Vaterland; sobald Geld ins Spiel kam, war es kein Sport mehr, sondern nur noch Zirkus. Schon damals hatten aber die besten Spieler nicht einsehen wollen, dass alle am Fußball verdienten, nur sie nicht, die Hauptakteure. Deswegen war bereits 1930 in Köln eine Profiliga entstanden. Zu ihr gehörte sogar der aufstrebende FC Schalke 04 mit seinen Stars Szepan und Kuzorra. Der DFB konnte die drohende Spaltung nur mit dem Versprechen verhindern, baldmöglichst eine Reichsliga zu installieren. Die Nazis verhinderten das später.

Dass sich der DFB 1962 beim Bundestag dann gegen den Profifußball aussprach, hatte jedoch nicht nur ideologische Gründe. Der Fußballbund befürchtete nämlich eine Streichung der Subventionen. Erst eine Vereinbarung mit dem Innenministerium beruhigte. Schließlich garantierte sie den Vereinen den Status der Gemeinnützigkeit selbst bei Millionenumsätzen. Erst im Mai 1972 gab der DFB den Markt endgültig frei.

Erst danach, sagt Konietzka, „hat die Professionalisierung für die meisten Spieler wirklich richtig gegriffen". Der neunmalige Nationalspieler hatte allerdings schon zehn Jahre vorher Wege gefunden, sich ordentlich bezahlen zu lassen. Als er 1965 zu 1860 München wechselte, bekam er mit seiner Unterschrift ein Toto-Lotto-Geschäft: „Das war wie ein Handgeld" – und trotzdem noch ein Almosen im Vergleich mit den Verhältnissen beim nächsten Arbeitgeber, dem FC Winterthur. „In der Schweiz“, sagt Konietzka, „habe ich in der B-Liga dreimal mehr verdient.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Bundesliga längst bewährt. Mit Dortmund gewann 1966 die erste deutsche Mannschaft einen Europapokal, und die Nationalelf glänzte bei der WM in England, kurz: Deutscher Fußball war wieder konkurrenzfähig.

Heute hat sich der Profifußball vom Deutschen Fußball-Bund gelöst, und er grenzt sich weiter ab von den grauen Herren aus Frankfurt. Nur die Schiedsrichter stellt der DFB noch und die Nationalmannschaft. Und selbst bei der Nationalmannschaft spielen Vereine wie Bayern München oder Hertha BSC nicht immer mit. Sie fordern hohe Versicherungen für ihre abgestellten Spieler. Heute sind nicht mehr die Profis und Vereine auf die Entscheidungen der Fußballfunktionäre angewiesen. Heute muss der DFB um Erlaubnis bitten.

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