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Sport: Das Ende der Unschuld

Nach der verweigerten Dopingprobe werden Sprinter Kenteris und seine Kollegin Thanou aus dem Team geworfen

Konstantin Kenteris ist wirklich verletzt. Er liegt in einem Bett im Athener Unfall-Krankenhaus KAT, trägt eine Halskrause und sieht leidend aus. Ein Reporter des griechischen Privatsenders „Alpha“ hat sich ins Krankenhaus geschlichen und ein paar Sekunden lang die Kamera auf den Sprinter gehalten, bevor er von resoluten Krankenschwestern abgedrängt wird. Und noch etwas steht fest: Der Unfall, der den 200-m-Olympiasieger Kenteris und die Olympia-Zweite Ekaterini Thanou ins Krankenhaus brachte, ist wirklich mit einem Motorrad passiert. Eine Zeitung veröffentlichte gestern ein Foto der demolierten Maschine. Thanou saß auf dem Rücksitz, als das Hinterrad des Motorrads wegrutschte.

Nützen können dem Sportler die Berichte wohl nicht mehr. Die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen im eigenen Land dürfte er abschreiben können. Kenteris und Thanou wurden am Samstagabend vom Nationalen Olympischen Komitee ihres Landes aus dem griechischen Team ausgeschlossen. Auch der Trainer der zwei Athleten, Christos Tsekos, wurde suspendiert. Die Entscheidung gilt vorbehaltlich des endgültigen Urteils, das das Internationale Olympische Komitee am Montag fällt.

Über das Schicksal der einstigen griechischen Sportidole war in Athen in den vergangenen Tagen wild spekuliert worden. Die Athleten waren vor einer Dopingkontrolle im Olympischen Dorf nicht auffindbar gewesen – dabei gilt die Verweigerung eines Tests als positives Testergebnis. Stattdessen hieß es, beide hätten einen Motorradunfall gehabt. Mysteriös erscheint vielen Griechen die Geschichte. Es habe gar keinen Unfall gegeben, streuten diverse Medien, die Polizei habe kein Motorrad gefunden, schrieb ein griechisches Blatt. Es sei auffällig, dass Kenteris und Thanou nach ihrem nächtlichen Unfall südlich von Athen ins weit entfernte KAT-Krankenhaus gebracht worden seien. Aber das KAT-Krankenhaus ist das Unfall-Krankenhaus von Athen, dort werden Unfallopfer routinemäßig eingeliefert.

Die Hauptpersonen schwiegen. Kenteris und Thanou lagen im Bett, verletzt. Doch in der Öffentlichkeit verlor vor allem Kenteris seinen Heiligenschein. „Wir wollen die ganze Wahrheit über Kenteris und Thanou“, forderte die Zeitung „Sima“. Nahezu einhellig war auch der Tenor der anderen Medien: Zieht einen Schlussstrich unter das Kapitel Kenteris und Thanou, und nehmt Christos Tsekos, den umstrittenen Trainer der beiden, gleich mit. So ist es nun gekommen. Eine vom Internationalen Olympischen Komitee erzwungene Rückkehr des Trios gilt als unwahrscheinlich.

Die Anti-Doping-Front der Medien kam über die geschockten griechischen Leser so plötzlich wie Kenteris’ Olympiasieg in Sydney. Kaum ein Journalist hatte sich zuvor gefragt, weshalb Kenteris nur zu Top-Ereignissen auftaucht und ansonsten verschwindet. Kaum einer hatte sich gefragt, warum Kenteris mit Thanou und Tsekos in ein Trainingslager nach Katar flog, ohne offiziell Bescheid zu sagen. Ein klarer Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln.

Doping galt in Athen bis zum Fall Kenteris als Tabuthema. Nur auf Druck des Internationalen Leichtathletik-Verbands IAAF wurde die griechische Läuferin Maria Tsirba im September 2003 zwei Jahre gesperrt. Tsirba war bei der Hallen-WM in Birmingham positiv auf Epo getestet worden. Der griechische Verband hatte sie dafür ursprünglich nur für zwölf Monate gesperrt. Dafür gab es bei Chris Papadias weniger Probleme. Der Sprinter erschien bei der griechischen Meisterschaft 2003 nicht zur Dopingkontrolle. Dann blieb er zwei Verbandsanhörungen fern. Urteil des nationalen Verbands: Freispruch. Im November 2002 protestierte die IAAF beim griechischen Verband: „Es ist schwierig, griechische Leichtathleten für unangemeldete Dopingkontrollen zu finden.“ Der Verband wurde zur Ordnung gerufen.

Kleine Auswahl der letzten griechischen Dopingfälle: Tonia Machaira, Schwimmerin, verweigert kurz vor Athen eine Dopingkontrolle. Stavros Kouroupakis, Stabhochspringer, positiv auf das Kälbermastmitel Clenbuterol getestet. Zwei Ringer und eine Ringerin positiv auf anabole Mittel getestet. Für Wirbel im Land sorgten die Fälle nicht. Auch der Spitzname von Christos Tsekos, dem Trainer von Kenteris und Thanou, fiel nicht weiter auf. In der Leichathletik- Szene heißt Tsekos nur „der Dealer“.

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