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Abschied von der Bank. Salomon Kalou war lange Zeit ein wichtiger Spieler für Hertha BSC. Nun endet sein Engagement für die Berliner auf denkbar unrühmliche Weise.

© imago images/Jan Huebner

Das Ende von Salomon Kalou bei Hertha BSC: Der traurige Abschied des Clowns

Salomon Kalou war einer der größten Spieler, die Hertha BSC je hatte. Doch mit seinem Video aus der Kabine endet seine Zeit in Berlin auf unrühmliche Weise.

Am Ende ist Salomon Kalou genau die Rolle zum Verhängnis geworden, die er immer am liebsten gespielt hat. Die des Clowns. Dass seine Zeit in Berlin, sein Engagement bei Hertha BSC, in absehbarer Zukunft zu Ende gehen würde, das war schon länger abzusehen. In dieser Saison hat er – egal, wer sich gerade als Trainer versuchen durfte – kaum noch eine Rolle gespielt, schon im Winter ist über seinen vorzeitigen Weggang spekuliert worden. Aber dass es so zu Ende gehen würde, das hat schon etwas Tragisches. Oder besser: etwas Tragikomisches.

Man muss Kalou ja nur ins Gesicht blicken: wie er in Herthas Kabine sitzt und in die Kamera seines Smartphones linst. Welche klammheimliche Freude er dabei empfindet, dass seine Kollegen keine Ahnung davon haben, dass ihre Blödeleien gerade live hinaus in die Welt gesendet werden.

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Manchmal sind Fußballprofis eben doch nur kleine Kinder, auch wenn sie wie Kalou bald 35 werden. Franck Ribéry war auch einer, der seinen infantilen Spaß an Streichen hatte, die aus einem Burg-Schreckenstein-Buch von 1977 hätten stammen können. Nur selten entwickeln solche belanglosen Albernheiten die Kraft, ein ganzes System zum Einsturz zu bringen. Salomon Kalou, dem Hofnarr von Hertha BSC, hätte es durchaus gelingen können.

Zum vermutlich letzten Mal in seiner langen Karriere, die ihn von der Elfenbeinküste über Feyenoord Rotterdam, den FC Chelsea und OSC Lille schließlich 2014 nach Berlin verschlagen hat, hat es Kalou am Montag geschafft, die gesamte Branche in Wallung versetzt. Er hat die ganze Liga aufgeschreckt, seinen Klub desavouiert und natürlich auch die Kollegen, die das mit den Hygienevorschriften gegen das Coronavirus offenbar doch nicht ganz so ernst genommen haben.

Die Bundesliga darf wohl nächste Woche wieder starten

Letztlich ist es noch einmal gut ausgegangen. Nicht für Salomon Kalou, aber für die Bundesliga, die wohl wie geplant tatsächlich schon in der kommenden Woche ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen darf. An diesem Mittwoch beschäftigt sich die Politik mit den Plänen des deutschen Fußballs, und wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wird dem Wunsch der Deutschen Fußball-Liga dann entsprochen werden.

Für Salomon Kalou hingegen endet die Zeit bei Hertha auf eher unrühmliche Weise. Der Klub hat ihn vom Trainings- und Spielbetrieb suspendiert. Und da Kalous Vertrag im Sommer ausläuft, wird er nie wieder für die Berliner spielen. So bleibt es bei 151 Bundesligaeinsätzen für Hertha BSC, bei 48 Toren und 17 Assists. „Er ist einer der größten Spieler, die je bei Hertha gespielt haben“, hat Manager Michael Preetz Ende Januar gesagt, als sich abzeichnete, dass Kalou den Klub verlassen würde, um andernorts weiter Fußball zu spielen. „Er genießt bei Hertha ein ganz, ganz hohes Standing.“

Anfang des Jahres gab es im Training des Berliner Bundesligisten eine Begebenheit am Rande, die einiges über Kalous Stellung innerhalb der Mannschaft erzählte. Jenseits seiner unbestrittenen fußballerischen Qualität natürlich. Während seine Kollegen auf dem Hauptplatz eine Passübung absolvierten, musste Kalou auf dem Nebenplatz in Begleitung eines Fitnesstrainers einsam seine Jogging-Runden drehen. Ein Ball flog über den Fangzaun auf den Nebenplatz. „Hey, Sala!“, rief Dodi Lukebakio. Kalou drehte um, bewegte sich Richtung Ball; doch anstatt ihn zu Lukebakio zurückzuschießen, lief er mit dem Ball am Fuß weiter seine Runden. Die ganze Mannschaft lachte.

Diese Saison stand er nur einmal in der Startelf

Auch in vergleichsweise hohem Alter war Kalou immer noch schwer in den Ball verliebt. Man kann sich also ausmalen, wie es in ihm ausgesehen hat, als ihm bei Hertha zeitweise die Möglichkeit verwehrt blieb, seine Liebe zum Ball auszuleben. Nur ein einziges Mal in dieser Saison, am zweiten Spieltag, hat Kalou in der Startelf gestanden; vier weitere Male wurde er eingewechselt, zuletzt Ende November.

Im Winter ist Kalou von Jürgen Klinsmann sogar aus dem Aufgebot für das Trainingslager in Florida gestrichen worden. Auf diese wenig subtile Art sollte dem Ivorer noch einmal deutlich gemacht werden, dass er bei Hertha keine Zukunft mehr hat. Und selbst nach der Rückkehr aus den USA blieb Kalou erst einmal die Teilnahme am Mannschaftstraining verwehrt. Es war nur eine von vielen Instinktlosigkeiten, die sich Klinsmann in seiner kurzen Amtszeit als Trainer geleistet hat. Gegen einen Spieler, der nicht nur ein erklärter Liebling des Berliner Publikums war, sondern wegen seiner freundlichen Art auch bei seinen Kollegen hohe Wertschätzung genoss.

Abschied von der Generation Dardai

Mit Kalous Abschied wird nun auch der Abschied von der Generation Dardai eingeleitet, von den letzten verbliebenen Routiniers, die in den vergangenen Jahren bei Hertha BSC die Achse des Teams gebildet haben: Im Sommer wird Per Skjelbred in seine norwegische Heimat zurückkehren. Auch Peter Pekarik, Ersatztorhüter Thomas Kraft und Vedad Ibisevic könnten den Verein nach der Saison verlassen, weil sie a) nicht mehr die Jüngsten sind, b) zum Teil ihre Verträge auslaufen und c) nicht mehr zu den neuen Ambitionen des Vereins passen.

Das sah im Sommer 2014 noch anders aus, als Kalou von OSC Lille zu Hertha wechselte. Für die Berliner, zu jener Zeit erst seit einer Saison wieder in der Bundesliga, war der Ivorer eine richtig große Nummer, vielleicht sogar der größte Name, den der Klub je unter Vertrag hatte. Kalou hat an zwei WM-Endrunden teilgenommen, ist mit der Elfenbeinküste Afrikameister geworden und mit dem FC Chelsea Englischer Meister. Über allem aber steht der Triumph in der Champions League, im Mai 2012 gegen den FC Bayern München in dessen eigenem Stadion.

Kalou war schon Ende 20, als er nach Berlin kam. Aber dass er nur gekommen war, um seine glänzende Karriere in einer aufregenden Stadt noch ein bisschen austrudeln zu lassen, das kann man ihm ganz sicher nicht vorwerfen. „Salomon ist ein echter Champion“, hat Dardai einmal über Kalou gesagt. „Er hat alles gewonnen und ist trotzdem immer noch hungrig.“

Obwohl seine erste Saison bei Hertha mit dem Abstiegskampf und dem Trainerwechsel von Jos Luhukay zu Dardai alles andere als einfach war, hat Kalou auch in jener Spielzeit einen wesentlichen Beitrag zum Klassenerhalt geleistet. Im Heimspiel gegen den FC Augsburg, nach zwei Niederlagen hintereinander unter dem neuen Trainer Dardai, erzielte er zwei Minuten vor Schluss den 1:0-Endstand. Es war sein einziges Tor in der Rückrunde.

Sonst aber hat Kalou regelmäßig getroffen. In zwei seiner fünf kompletten Spielzeiten war er sowohl der beste Torschütze als auch der beste Scorer seines Teams. Was Kalou an Dynamik zunehmend fehlte, das hat er durch seine überdurchschnittlich hohe Auffassungsgabe, eine außergewöhnliche Handlungsschnelligkeit und vor allem durch seine bemerkenswerte Ballfertigkeit kompensiert. Und seine Späße sind in der Mannschaft auch immer gut angekommen.

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