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Die Werner-Seelenbinder-Halle im Mai 1990.

© Imago Images/Kohlmeyer

Das erste Derby zwischen Hertha und Union ist kaum bekannt: Große Emotionen in der Werner-Seelenbinder-Halle

Schon vor dem Spiel Ende Januar 1990 im Olympiastadion trafen Hertha und Union aufeinander. Für die Fans ging es um viel mehr als nur Fußball.

Das Freundschaftsspiel zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union am 27. Januar 1990 im Olympiastadion ist fester Bestandteil der Berliner Fußballhistorie. Hertha gewann vor über 50.000 Zuschauern 2:1. Das erste Aufeinandertreffen der beiden Vereine fand bereits eine Woche früher statt und ist weniger bekannt. 

Austragungsort war die Werner-Seelenbinder-Halle. Sie hatte seit der Eröffnung 1950 Endspiele der Handball-WM, unzählige der sehr beliebten Winterbahnrennen im Radsport, aber auch Konzerte unter anderem von Peter Maffay und Depeche Mode sowie regelmäßig das Festival des politischen Liedes erlebt.

Nun waren die Zeiten andere und Union hatte zu einem dreitätigen Hallenturnier um den Pokal des Oberbürgermeisters geladen. Zehn Teams spielten mit, im Blickpunkt standen die Berliner Teilnehmer: Hertha und Blau-Weiß 90 aus der Zweiten Bundesliga, sowie Union (damals in der zweitklassigen Liga) und DDR-Rekordmeister BFC Dynamo.

Schon im Vorfeld war die Halle, die ab Januar 1993 abgerissen worden ist, ausverkauft. Trotz Preisen von bis zu 60 DDR-Mark für die drei Tage. Auf dem Schwarzmarkt ging es noch deutlich höher.

Ich habe mich im Bekanntenkreis umgehört. Diejenigen, die dabei waren, erinnern sich lebhaft. Denis, Fan von Blau-Weiß 90, fällt unter anderem die umherlaufende Kaffeekanne der Supermarktkette Kaiser`s ein, die Obst und Schokolade unter die Leute brachte.

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Blau-Weiß blamierte sich am Donnerstagabend kräftig und flog ohne Punkt raus. Nicht wenige Zuschauer standen den Fans aus Mariendorf feindselig gegenüber. Denis ist nicht mehr hingegangen.

Schmackhafte Kasselerbuletten

Hertha-Fan Frank war an allen Tagen da. Er erzählt vom außergewöhnlichen Angebot an den Imbissständen, mit Softeis und Kasselerbuletten, „die waren richtig lecker.“ Zahlreiche Fans von Hertha und Union kannten sich schon, weil Anhänger aus West-Berlin früher in die Alte Försterei gefahren waren. „Nun gab es ein großes Hallo“, sagt Frank.

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Das Bier war meist warm und öfter alle, viele sind daher auf Sekt umgestiegen. Der wurde sogar in dazu passenden Gläsern kredenzt.     

Am Freitag war es soweit: Hertha spielte vor gut 4000 Zuschauern gegen Union. Auf dem Holzparkett ging es ordentlich zur Sache, auf den Rängen herrschte beste Stimmung.

Union-Schlachtruf wird umgetauft

Als Christian Niebel den Siegtreffer zum 3:2 erzielte, „jubelten die vielen Hertha-Anhänger und der Union-Schlachtruf ‚Eisern Union‘ wurde in ‚Eisern Berlin‘ umgetauft“, schrieb der Tagessspiegel zu diesem emotionalen sportlichen Höhepunkt gut zehn Wochen nach dem Mauerfall. Beide Teams erreichten schließlich den Finaltag.

Die Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre war stets vorbei, wenn der BFC Dynamo auflief. Dessen Spielern schlug teils blanker Hass entgegen. Da halfen bei den „Stasi raus“-Rufen auch die Appelle des Hallensprechers wenig: „Die Spieler können nichts dafür.“

Nach außen steckten Dynamos Akteure alles cool weg, doch Thomas Doll, bester Torschütze und bester Spieler des Turniers, bekannte später: „Das Ganze ist schon deprimierend. Das macht manchmal keinen Spaß mehr.“

Hertha belegte am Ende Platz drei, die Spieler erhielten dafür Quarzwecker vom VEB-Werk für Fernsehelektronik. Im Finale traf Union auf den BFC – und gewann durch ein Tor von André Sirocks 5:4 nach Verlängerung. „Unbeschreiblicher Jubel verwandelte die Halle an der Leninallee in ein Tollhaus, als Union-Kapitän Olaf Seier den Pokal des Oberbürgermeisters von Berlin-Ost, Erhard Krack, in Empfang nehmen durfte“, hieß es in der „Fußball-Woche“.

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