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Sport: Das Finale der Anderen

Hertha hat wieder einmal eine gute Chance vertan

Es ist keine besonders neue Erkenntnis, dass seelischer Schmerz auch körperliche Pein auslösen kann, doch in der Regel verhält es sich mit Ursache und Wirkung etwas anders als bei Dieter Hoeneß am Mittwochabend im Stuttgarter Daimler-Stadion. Als der Manager von Hertha BSC nach der 0:2-Niederlage im Viertelfinale des DFB-Pokals gramgebeugt vom Feld flüchtete, stieß er mit einem Mitarbeiter vom Fernsehen zusammen. Sein wuchtiger Schädel prallte gegen dessen Kamera. Hoeneß aber rieb sich nur kurz die Stirn, dann setzte er seine Flucht fort. Der körperliche Schmerz hatte an diesem Abend keine Chance.

Dieter Hoeneß ist ein höchst emotionaler Mensch, der permanent gegen die Macht seiner Gefühle kämpfen muss. Nach Spielen wie dem in Stuttgart merkt man erst, wie viel Mühe ihm diese Auseinandersetzung bereitet. „Es rumort schon in mir, weil ich sehr, sehr enttäuscht bin“, sagte der Manager des Berliner Fußball- Bundesligisten. Hoeneß sprach stockend, als müsse er erst jedes Wort auf seine Tauglichkeit prüfen – und als er merkte, dass die Enttäuschung in ihm sich langsam in Wut verwandelte, ergriff er die letzte Selbstschutzmaßnahme. „Lassen wir’s gut sein“, sagte er und verschwand.

Erst am Tag danach kritisierte Hoeneß recht heftig die Einstellung der Spieler: „Ich habe seit der Rückrunde das Gefühl, dass etwas ins Stocken geraten ist.“ Auch in Stuttgart sei die Mannschaft nicht zu 100 Prozent als Gemeinschaft aufgetreten, Defizite hätten sich eingeschlichen. Was die Niederlage so schwer erträglich machte, ist das Bewusstsein, wieder mal eine große Chance leichtfertig verwirkt zu haben. Angesichts der Qualität der Mitbewerber schien es für Hertha einfach wie nie, den Pokal, den ersten Titel nach mehr als 75 Jahren und eine Menge Renommee zu gewinnen, aber manchmal hat man den Eindruck: Einfach kann Hertha einfach nicht. „Wir schaffen es nicht, den Ball ins Tor zu bekommen“, klagte Trainer Falko Götz. „Bei den Möglichkeiten, die wir hatten, fehlte die Entschlossenheit.“

Herthas jüngste Pokalgeschichte ist reich an Tiefpunkten, und die Niederlage beim VfB scheint die schwarze Serie treffend fortzuschreiben. Seit dem Aufstieg vor zehn Jahren hat sich die Mannschaft bei diversen Regionalligisten blamiert, in Bremen 1:6 verloren, und 2001, im Viertelfinale, verspielte sie zu Hause gegen den damaligen Tabellenletzten Köln eine 1:0-Führung und schied aus. Mit all diesen peinlichen Erfahrungen hat die Niederlage in Stuttgart wenig gemein: Hertha traf auf den nominell und de facto stärksten aller möglichen Gegner. „Das musste man ja einkalkulieren, dass man in Stuttgart verlieren kann“, sagte Hoeneß.

Am Ende aber läuft es auf das Gleiche hinaus, ob man an Holstein Kiel in der ersten Runde nach Elfmeterschießen scheitert oder beim Tabellenzweiten Stuttgart: Hertha ist wieder nicht dabei, wenn im Olympiastadion der Pokalsieger ermittelt wird, und vielleicht sollten die Berliner gleich nach dem letzten Bundesligaspiel ihren lange geplanten Marketingtrip nach China antreten, damit sie nicht wieder miterleben müssen, wie fremde Fanhorden in Berlin ausgelassen Pokalfinale feiern.

Die Saison, die so erfreulich begonnen hat, droht nach drei Niederlagen in den letzten vier Pflichtspielen nun einen unfreundlichen Dreh zu bekommen. Dieter Hoeneß wurde in Stuttgart darauf angesprochen, dass die Mannschaft eine Möglichkeit verspielt habe, ihre Ziele zu erreichen. „Welche Ziele meinen Sie?“, fragte Hoeneß zurück, als hätte es im Winter nicht die Aussage von Falko Götz gegeben, den fünften Platz verteidigen zu wollen und damit die Qualifikation für den Uefa-Cup. Diese Position haben die Berliner bereits eingebüßt, und am Samstag empfangen sie Bayern München. „Das ist sicherlich hilfreich“, sagte Hoeneß, ganz ohne Ironie. „Da muss man nicht allzu viel reden.“

Die Mannschaftssitzung gestern Mittag dauerte eine Stunde.

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