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Sport: Das flimmernde Herz

Vor kurzem starb ein Fußballer an Herzversagen – jetzt trainieren Berliner Schüler und Vereine die Rettung

Berlin. Deniz weiß genau, was er zu tun hat. Der 15 Jahre alte Junge öffnet den kleinen grünen Koffer, nimmt die Elektroden heraus und legt sie auf die Brust des leblosen Körpers vor ihm. Aus dem Koffer erklingt eine Frauenstimme. „Ruhe bewahren“, sagt die Stimme. Und etwas später: „Schock empfohlen.“ Deniz bittet die Schüler, die um ihn herum stehen, aus dem Weg zu gehen, und simuliert per Knopfdruck einen Stromstoß. Anschließend folgt die Herzdruckmassage. Zweimal beatmen, 15 Mal Druck auf den Brustkorb ausüben. „Herzdruckmassage, gut“, sagt das Gerät.

Noch ist es nur eine Übung. Der leblose Körper, der mit einer Trainingsjacke bekleidet auf dem Boden des Klassenraums in der Martin-Buber-Oberschule in Berlin-Spandau liegt, ist eine Puppe. Der grüne Kasten ist die Übungsversion eines Defibrillators, oder „Defi“, wie ihn die Schüler nennen. Ein solches Gerät gehört zur Grundausstattung jedes Rettungswagens. Und obwohl es bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, dem so genannten Kammerflimmern, die einzige Rettungsmöglichkeit darstellt, können bisher nur wenige damit umgehen.

Bis zu 100 000 Menschen sterben in Deutschland am plötzlichen Herztod, berichtet Hans-Richard Arntz, Professor am Steglitzer Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Arntz zählt zu den Pionieren der Defibrillation in Deutschland. Meist sind ältere Menschen vom plötzlichen Herztod betroffen. Doch auch bei jungen, durchtrainierten Sportlern können Herzrhythmusstörungen unerwartet auftreten. Vor einer Woche starb der 24 Jahre alte ungarische Fußball-Nationalspieler Miklos Feher während eines Ligaspiels im portugiesischen Guimaraes.

„Die ersten drei bis fünf Minuten nach dem Zusammenbruch sind entscheidend. Wird da nicht reagiert, ist es häufig zu spät“, sagt Jürgen Wons, der Rettungskräfte bei der Berliner Feuerwehr ausbildet. Während Defibrillatoren in den USA in manchen öffentlichen Gebäuden so selbstverständlich sind wie Feuerlöscher, scheuen sich in Deutschland viele, Laien an das Gerät zu lassen. Ein gemeinsames Projekt des Landessportbunds (LSB), des Klinikums Benjamin Franklin und der Berliner Feuerwehr soll das nun ändern. Dabei werden unter anderem Trainer und Platzwarte in den Vereinen am Defibrillator ausgebildet. „Damit spielen wir eine Vorreiterrolle in diesem Bereich“, sagt LSB-Projektleiter Dietmar Fahrenwald.

In der abgelaufenen Woche sind die Initiatoren erstmals an Schüler herangetreten. Einen Tag lang erklärten Wons und sein Kollege Alfred Loeffler 16 Jugendlichen, wie Herzdruckmassage und Defibrillator funktionieren. „Die Schüler haben eine riesige Begeisterung gezeigt“, sagt Wons.

Der Neuntklässler Deniz war erstaunt, wie klein das Gerät ist. „Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt“, sagt er. Statt eines klobigen, Furcht erregenden Apparates mit zwei großen an Bügeleisen erinnernden Elektroden erwartete die Schüler ein handlicher, nicht mehr als zwei Kilogramm schwerer Koffer. Der ist auch von Laien einfach zu bedienen. „Es gibt keinen Grund, warum nicht auch Schüler lernen sollen, mit dem Gerät umzugehen“, sagt Fahrenwald.

Die Spandauer Schüler haben sich die Bilder vom Tod des ungarischen Fußballers genau angesehen. Mit seiner neu erworbenen Ausbildung hätte er Feher helfen können, glaubt Deniz. Mediziner Arntz bestätigt das: „Wenn es sich tatsächlich um Kammerflimmern gehandelt hat, hätte ein Defibrillator den Spieler retten können.“ Neben Fußballstadien seien Spielkasinos und Tennisplätze Orte, an denen Defibrillatoren stets vorhanden sein sollten. „Wo Menschen sich aufregen oder untrainiert Sport treiben, erhöht sich das Risiko des plötzlichen Herztodes“, sagt Arntz.

Das gleiche Problem gibt es auch beim Marathonlauf. „Viele gehen nicht mit dem nötigen Training an den Start“, sagt der Mediziner, „da kann es natürlich passieren, dass einer umfällt.“ Beim Berliner 25-Kilometer- Lauf im Mai werden die Feuerwehr und der Berliner Leichtathletikverband deshalb mit kleinen Teams und mehreren Defibrillatoren an der Strecke präsent sein.

Auch die Schüler und Sportlehrer der Martin-Buber-Oberschule sind für den Notfall jetzt bestens ausgestattet. In ihrer Turnhalle hängt ein Gerät griffbereit. Der 14-jährige Tobias kann es kaum erwarten, es zu benutzen. „Ich wünsche ja niemandem, dass er umfällt“, sagt er. „Aber ausprobieren würde ich schon gern mal, was wir hier gelernt haben.“

Weitere Informationen im Internet:

www.lsb-berlin.net.

Steffen Hudemann

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