zum Hauptinhalt

Sport: Das Geschäft mit den Talenten

In Südamerika drängeln sich die Fußball-Scouts

Lange Zeit war es wie in der Fabel von Hase und Igel: Wo immer deutsche Talentspäher in Südamerika auftauchten, Reiner Calmund war schon da. Der kürzlich zurückgetretene Manager von Bayer Leverkusen hatte sich schon mit einem Netz von Kontakten auf dem Subkontinent die Platzhoheit erkämpft und hielt die Optionen auf diverse Spieler, als die Bundesliga die Möglichkeit der Materialsichtung vor Ort erst entdeckte.

Heute, wo aktuell die Copa America, eine Art Lateinamerika-Meisterschaft, ausgetragen wird, beschäftigen die meisten Klubs frühere Spieler, die sich ausschließlich um die Talentsuche weltweit und vornehmlich in Südamerika kümmern. Etwa Wolfgang Dremmler von FC Bayern oder Rodolfo Cardoso vom Hamburger SV. Diese Späher fahren allerdings nicht selbst über die Dörfer, um nach Talenten zu suchen. In der Regel arbeiten sie mit ihren festen Vermittlern, die ihnen Spieler für eine gewünschte Position anbieten. Denn weder in Argentinien noch in Brasilien, den mit Abstand größten Märkten, noch im restlichen Lateinamerika läuft eine Verpflichtung ohne einen so genannten „intermediario“, den mittlerweile schon jeder junge, talentierte Spieler hat.

Der Anteil nicht ganz so seriöser Zeitgenossen ist relativ hoch. „Es gibt bald mehr Vermittler als Spieler. Sie interessieren sich nicht für das Spiel, nur für den schnellen Dollar“, sagt Jorge Cruneo von der argentinischen Vereinigung der Vertragsfußballer FAA. Der intermediario kassiert bei einem Vereinswechsel 15 Prozent der Ablöse, dazu kommen oft noch drei bis sechs Prozent des ersten Jahresgehaltes beim neuen Verein.

Die Höhe schwarzer Zahlungen kann niemand schätzen. Ob der Spieler schon reif für den neuen Klub ist oder ob er überhaupt dorthin will, interessiert viele intermediarios nur am Rande. Sie drängen auf schnellen Abschluss. Um dieser Entwicklung Herr zu werden, installierte die Fifa 1990 Vorschriften über die Spielervermittlung. So muss ein intermediario eine Lizenz – für derzeit 160 000 Dollar – kaufen, eine Regelprüfung ablegen und darf nicht für einen internationalen oder nationalen Verband oder einen Klub arbeiten.

Die großen Vermittlungsagenturen, von denen es in ganz Südamerika an die hundert gibt, halten sich zumeist an die Regeln. Andere nicht. Alejandro Figuera, langjähriger Fußballjournalist aus Buenos Aires, erzählt etwa von der Praxis, brasilianische und argentinische Spieler kurzfristig für einen geringdotierten Vertrag in Uruguay zu parken (wo weniger Abgaben anfallen) und sie dann nach Europa zu schleusen. Die Strafen für solche Verstöße sind 80 000 Dollar (Höchstsatz) oder eine Transfersperre (was nie vorkommt) und damit nicht wirklich abschreckend wirkt.

Carlos Mascardi, der die argentinischen Nationalspieler Verón, Crespo und den gerade bei der aktuellen Copa America in Peru aktiven Ayala unter Vertrag hat, rät Talenten daher, unbedingt einen großen Vermittler aufzusuchen, der möglichst selbst Spieler war, „denn er wird ihre Ängste und Wünsche kennen“. Einen solchen erfahrenen Mann sollte dann auch der deutsche Späher an der Hand haben, um Komplikationen zu vermeiden.

Doch aller Anfang ist schwer, wie schon Karl-Heinz Körbel erkennen musste, der nach dem Ende seiner Karriere in Frankfurt als Talentscout anfing: „Ich hatte gedacht, Eintracht hätte sich schon was aufgebaut. Ich war richtig erschrocken – die hatten nur das Kicker-Sonderheft.“

Martín E. Hiller[Lima]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false