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Sport: Das Herz ist dreigeteilt

Kevin Kuranyi hat Pässe aus Panama und Brasilien – Nationalspieler will er in Deutschland werden

Stuttgart. Neulich erklärte Kevin Kuranyi, dass er eigentlich nicht zum Helden tauge. Jetzt, da der junge Mann zum ersten Mal ins Aufgebot von DFB-Teamchef Rudi Völler fürs Länderspiel gegen Litauen am Sonnabend in Nürnberg berufen wurde, erstaunt er mit so einer Aussage die Verantwortlichen. Zumal die Marketingabteilung des VfB Stuttgart dringend einen Star braucht. Und Kuranyis Berater bereits ein großes Geschäft wittern, wenn er mal verkauft wird. Der 21 Jahre alte Stürmer des VfB Stuttgart findet zwischendurch auch selbst Gefallen daran, dass er mit seinen 13 Bundesligatoren überall in den Zeitungen steht. „Freuen darf man sich, aber mehr nicht“, sagt er.

Vielleicht rührt Kuranyis Zurückhaltung aus der Vergangenheit. Er hat schon einmal erfahren, wie schmal der Grat zwischen Absturz und Höhenflug ist. „Deshalb denke ich heute von Spiel zu Spiel“, sagt er. Vor dem Länderspiel verspricht er jedem, er werde sicher nie wieder abheben. „Ich habe viel gelernt in dieser Zeit, als alle meine Freunde sein wollten, weil es gut lief.“ Dann aber schickte ihn Trainer Felix Magath vor knapp zwei Jahren zu den Amateuren zurück, weil er sich im Training und auf dem Spielfeld zu überheblich gab.

Kevin Kuranyi kam geläutert zurück. Er hatte seine Lehre aus der kurzzeitigen Degradierung gezogen. Heute findet er es sogar schick, dass ihn Trainer Felix Magath ab und zu zur Seite nimmt und ihm vorwirft, er sei zu unkonzentriert und trainiere schlecht. „Ich habe den Fehler gemacht, zu glauben, ich sei weiter. Ich hatte nicht die Kraft, die Realität zu sehen. Ich nehme seine Kritik an und bin ehrlicher zu mir selbst geworden. Magath ist offen und ehrlich, auch, wenn es wehtut“, sagt er. Obwohl alle von der Weltmeisterschaft 2006 und ihm als Hoffnungsträger reden, sagte er deshalb pathetisch: „Ich erlaube mir keine Träume mehr. Die bringen dich nur vom Weg ab.“

Oft genug beschleicht ihn noch das Gefühl, alle Last beim VfB Stuttgart alleine tragen zu müssen. Dazu kommt das Theater um seine Vertragsverlängerung. Bis 2005 steht er in Diensten der Stuttgarter. 250 000 Euro verdient er derzeit im Jahr. Nicht wenige in seinem Management sind der Meinung, das sei zu wenig. Im Frühjahr soll über eine Vertragsverlängerung verhandelt werden. Magath hat ihm erklärt, warum es für ihn so wichtig sei, im gewohnten Umfeld zu bleiben und sich zu entwickeln. Wenn nun aber ein Verein den klammen Schwaben zwölf Millionen Euro auf den Tisch legt, wird man sich gut überlegen, ob man nicht doch die Chance nutzt, den mit 16,6 Millionen Euro verschuldeten Klub mit einem Schlag zu entschulden.

Auch der Deutsche Fußball-Bund hat schnell gehandelt. Damit der Stürmer nicht für ein anderes Land ins Nationaltrikot schlüpft, machte Kuranyi erste Länderspiele im U-21-Nationalteam. Schließlich hat er Pässe aus drei Ländern. Der Vater ist Schwabe, die Mutter aus Panama, er selbst ist in Rio de Janeiro geboren. „Das Herz ist dreigeteilt“, sagt er. „Aber ganz tief drinnen bin und bleibe ich Brasilianer. Es gibt einfach nichts Schöneres auf der Welt als die Sonne und den Strand der Copa Cabana.“ Sein Vater hat ihn zum deutschen Trikot überredet. „Ich habe hier jetzt meinen Lebensmittelpunkt“, sagt Kuranyi. „Und in Brasilien gibt es so viele gute Spieler. Da wäre es ganz sicher schwer, in die Nationalmannschaft zu kommen.“

Mit 15 kam er nach Deutschland, „weil mein Vater wollte, dass ich Deutsch lerne“. Zunächst versuchten ihn Freunde seines Vaters in Augsburg unterzubringen. Dort machte er ein Probetraining. Dann entschied er sich doch für den VfB Stuttgart. „Nun will ich ein Ziel erreichen, und dafür tue ich alles. Egal, wie lange es dauert. Träumen ist etwas anderes. Es bringt nichts, wenn man sich etwas vormacht“, sagt er. Daheim, wo kein Mikrofon stört, verrät er dann doch, wie stolz er ist, dass ihn Rudi Völler angerufen hat und dass sie ihn zu Hause in Brasilien vielleicht bald im deutschen Nationaltrikot sehen werden. Wenn auch nur im Fernsehen.

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