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Sport: Das letzte Duell

Einer-Ruderer Brodowski kämpft noch ums Olympia-Ticket, fühlt sich aber schon als Verlierer.

Berlin - Natürlich war es Zufall, dass Karsten Brodowski einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd trug und dass seine Schuhe blank poliert waren, als er die SMS erhielt. Nur war es ein Zufall mit einer zynischen Note. Der Ruderer Brodowski stand gerade in der britischen Botschaft in Berlin, als er die Nachricht las. Die Diplomaten hatten Sportler und andere Gäste eingeladen, um auf London einzustimmen, auf die Olympischen Spiele. Die Nachricht an Brodowski lautete: Das Ausscheidungsrennen findet am 8. Juni in Brandenburg an der Havel statt. Für Brodowski ist das der Termin, an dem er seine Olympiaträume wohl auch offiziell begraben kann.

Am Freitag kämpft Karsten Brodowski vom Ruderklub am Wannsee gegen Marcel Hacker um das Olympia-Ticket im Einer. „Marcel fährt normalerweise in einer anderen Welt“, sagt der 26-Jährige. „Gegen ihn habe ich kaum eine Chance.“ Und in den Doppelzweier und Doppelvierer darf er nicht umsteigen. „Ein Skandal“, sagt Brodowski.

Brodowski ist physisch der stärkste Ruderer der Welt, er hält den Weltrekord am Ergometer, bei der Kleinboot-Meisterschaft in Köln glitt er im Einer als Zweiter ins Ziel. Der Favorit Hacker, durch einen Virus geschwächt, erreichte nicht mal das Finale. 2007 und 2009 wurde Brodowski mit dem Doppelvierer jeweils WM-Dritter. „Wenn einer so stark im Einer fährt wie ich in Köln, wäre er für jedes Mannschaftsboot eine Verstärkung“, sagt er. Der Doppelvierer, das ist sein bevorzugtes Boot.

Der Einer interessiert ihn nicht, dort ist die internationale Konkurrenz viel zu stark. Aber in Köln ließ der zuständige Skull-Bundestrainer mitteilen, dass die aktuelle Besatzung des Doppelvierers nicht geändert wird. Auch im Doppelzweier sei kein Platz frei. „Das hat mich sehr verletzt“, sagt Brodowski. „Angesichts der Ergebnisse bin ich fürs Mannschaftsboot unersetzlich. Ich weiß nicht, mit welcher Arroganz man sagt: Du darfst nicht ins Mannschaftsboot.“

Hartmut Buschbacher ist der Chef-Bundestrainer, er klingt nicht arrogant, nur sehr bestimmt, wenn er über den Fall Brodowski redet. Kein einfacher Fall. „Er hat in Köln eine Superleistung gebracht. Aber er ist nicht stabil genug.“ Der aktuelle Doppelvierer laufe gut, „die Weltcup-Ergebnisse haben das gezeigt“. Es gebe keinen Grund, etwas zu ändern.

Der Fall Brodowski, das ist ein typisches Sportlerschicksal. Einerseits. Andererseits hat der 2,05-Meter-Mann diese Vorgeschichte. 2010 und 2011 hatte Brodowski seinen Platz im Nationalteam verloren, das nagte an ihm. Denn er kämpft auch immer gegen den Ruf, er sei im Trockentraining, beim puren Muskeleinsatz, unschlagbar. Aber auf dem Wasser fehle ihm das nötige Gefühl und Technik, um ein Team-Boot schnell machen. Daran ändern auch seine WM-Medaillen wenig. Das bärenstarke Sicherheitsrisiko, gegen dieses Bild kämpft er mit aller Macht.

Für diesen Kampf plünderte er vor der Olympia-Saison sein Konto; 10 000 Euro investierte der Maschinenbau-Student für einen wochenlangen Tripp nach Neuseeland. Dort trainierte er mit dem viermaligen Einer-Weltmeister Mahe Drysdale. Brodowski tauchte auch in die Höhenkammer von Hertha BSC ein, um in künstlich dünner Luft noch mehr Kondition zu bekommen. Auch auf eigene Rechnung. „Ich habe das nur gemacht, weil man mir gesagt hat: Du bist dabei, wenn du im Einer vorne bist.“ Ergo-Leistungen im Winter, die Regatta in Köln, ein Langstrecken-Test, diese Punkte entscheiden über einen Olympiaeinsatz. So habe er die Olympia-Kriterien des Verbands verstanden. Aber jetzt? „Wenn ich im Herbst gewusst hätte, dass schon alles fest steht, hätte ich das nicht auf mich genommen.“

Aber im Herbst, sagt Buschbacher, „da haben wir schon angesagt, dass Stabilität ein Kriterium ist. Das haben wir ja uns nicht einen Tag nach Köln ausgedacht.“

Jetzt also der Kampf in Brandenburg. Hacker dominierte in den letzten zwölf Jahren in Deutschland den Einer, er ist der klare Favorit, Brodowski ist nur Außenseiter. Doch Buschbacher, der Chef, sieht das alles ganz nüchtern. „Wer gewinnt, fährt nach London.“

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