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Sport: Das Monument zerfällt

Lance Armstrong fährt bei der Tour de France nur noch hinterher

Eine Ära ist beendet. Mit dem herben Rückstand von knapp zwölf Minuten auf der ersten Bergetappe der Tour de France leitete Lance Armstrong seinen Ausstieg aus dem aktiven Rennbetrieb ein. Seine Zeit ist abgelaufen. Er wird die Tour de France kein achtes Mal gewinnen. „Das Ende und der Anfang“ überschrieb die „L’Equipe“ ihren sportlichen Nachruf auf den Amerikaner. Denn dessen Platz nehmen jetzt andere ein.

Am ersten Tag der neuen Epoche brannte die Sonne wie gewohnt auf die französischen Alpen herunter. Der Asphalt kochte. Hunderte Freizeitfahrer nahmen die Gelegenheit wahr, am Ruhetag ihre Idole auf deren Trainingsfahrt zu begleiten. Sogar ein Mann im Astana-Trikot hatte sich in den Pulk der Radioshack-Fahrer um Lance Armstrong gezwängt. Der alte Patron duldete dies.

Zweimal war Armstrong bei dieser Tour de France abgehängt worden. Auf dem Kopfsteinpflaster nach Arenberg verlor er 2:08 Minuten, bei der ersten Alpenetappe nach Morzine 11:45 Minuten. Zwar waren in Arenberg ein Sturz und ein Defekt und nach Morzine zwei Stürze und eine Querfeldeinfahrt im Spiel, die den Amerikaner ausbremsten. Aber eine Radsportregel besagt: Wer gut in Form ist, fällt selten. Spektakulär ist sein Einbruch auf der achten Etappe vor allem deshalb, weil er die erste Bergetappe der Tour stets zur Demonstration seiner Stärke genutzt hatte. Er deklassierte alle, machte seine Konkurrenten zu mutlosen Verfolgern.

Dieses Mal haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Ein knappes Dutzend Fahrer blieb in der Spitzengruppe, Armstrong aber gab schon am vorletzten Berg auf. „Hier hat er die Hände gehoben. Es ging nichts mehr“, sagte sein Teamchef Johan Bruyneel. Armstrong ist sich des historischen Moments bewusst. Er gratulierte seinen Nachfolgern Cadel Evans und Andy Schleck zur gezeigten Performance. Ex-Teamkollege Alberto Contador befand sich nicht unter den Empfängern solcher Botschaften. Das zeigt, dass der Amerikaner selbst im Moment des Abtretens nachtragend sein kann.

Immerhin sagte der Texaner: „Die Tour ist jetzt für mich zu Ende. Ich werde noch zwei schöne Wochen in Frankreich verbringen. Das ist mein letztes Rennen in Europa.“ Auf seiner Abschiedstour durch Frankreich will er aber noch Akzente setzen. „Lance wird ein Faktor in diesem Rennen sein. Er kann es nicht mehr gewinnen. Aber das Klassement ist noch nicht geschrieben“, sagte Bruyneel.

Der sportliche Niedergang wird von juristischen Schwierigkeiten in den USA begleitet. Ermittler Jeff Novitzky, der die Machenschaften des Dopinglabors Balco aufdeckte, heftet sich nach Floyd Landis’ Aussagen an Armstrongs Fersen. Wie das „Wall Street Journal“ berichtete, hat er mit Armstrongs früherem Teamkollegen Tyler Hamilton gesprochen und wartet darauf, dass der jetzige BMC-Fahrer George Hincapie nach der Tour wieder in der alten Heimat ankommt. Die Ermittlungen sind brisant, weil es darum geht, ob Steuergelder in betrügerischer Absicht eingesetzt wurden. Der frühere Teamsponsor US Postal ist eine Behörde.

Gut möglich, dass sich Armstrongs Unfähigkeit zum Abschied als Bumerang erweist. Wäre er im vergangenen Jahr nicht zurückgekehrt, hätte Landis wenig Anlass gehabt, an die Öffentlichkeit zu treten. Wie tief das Monument Armstrong noch fallen kann, ist derzeit nicht zu ermessen.

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