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Schrei von der Spitze. Markus Babbel hat sich mit Hertha oben festgespielt. Foto: ddp

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Sport: Das neue alte Selbstbewusstsein

Hertha hat aus der Hinrunde gelernt und kommt besser mit Liga zwei klar

Berlin - Es ist gut möglich, dass die Fans von Hertha BSC heute einen Moment der Verwirrung erleben werden. Sind wir noch in der Vergangenheit? Oder ist das schon die Zukunft? Die Züge von U- und S-Bahn sind gerammelt voll, das Olympiastadion ist mit 74 244 Zuschauern ausverkauft, an den Eingängen knubbeln sich die Massen, und die Spannung vor dem Derby gegen Union ist sowieso riesig. „Das ist sicher nicht gewöhnlich, dass so viele Zuschauer zu einem Zweitligaspiel kommen“, sagt Trainer Markus Babbel.

Neun Monate nach dem Abstieg und drei Monate vor ihrer mutmaßlichen Rückkehr in die Erstklassigkeit werden die Berliner an diesem Samstag zumindest den Hauch von Bundesliga verspüren. Allein die Uhrzeit will nicht recht zu diesem Gefühl passen. Wegen des großen Andrangs öffnen die Stadiontore schon morgens um elf, zwei Stunden später wird das Derby angepfiffen. Spätestens die ungewohnte Anstoßzeit wird alle Träumer zurück in die Gegenwart holen.

Herthas Spieler haben diesen Erkenntnisschritt schon hinter sich. So wie es aussieht, hat die Mannschaft sich gerade endgültig mit der Gegenwart arrangiert, so grausam sie im Vergleich zur Vergangenheit und den Verheißungen der Zukunft auch sein mag. Es gibt verlässliche Zeichen, dass die Mannschaft nicht nur in der Zweiten Liga angekommen ist, sondern jetzt – sinnbildlich – endlich auch ihren Koffer ausgepackt hat.

Mit drei Siegen ist die Mannschaft in die Rückrunde gestartet. Das war auch in der Hinrunde so. Dann kam das Derby gegen Union, Hertha ging in der zweiten Minute in Führung – und dachte wohl, dass alles so locker flockig weitergehen würde. Stattdessen aber bekam der verhinderte Bundesligist von den Köpenickern eine Einführung in die Gepflogenheiten der Zweiten Liga. „Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen“, erinnert sich Herthas Torschütze Niemeyer.

Das Signal zum Widerstand ging damals von Unions Vorarbeiter Dominic Peitz aus, der im Mittelfeld nach dem 0:1 mit großer Aggressivität zu Werke ging und für Union auf diese Weise die Hoheit über das Geschehen eroberte. Hertha ließ sich davon regelrecht überrumpeln. „Es ist in der Zweiten Liga normal, dass eine gewisse Härte im Spiel ist“, sagt Markus Babbel. „Das war anfangs für uns gewöhnungsbedürftig. Inzwischen wissen wir, wie es läuft.“

Herthas Trainer hat Anfang der Saison viel davon geredet, dass es in der Zweiten Liga weniger auf die Qualität ankomme als auf die Mentalität, und seine Spieler haben solche Sätze eifrig nachgeplappert. An der inneren Überzeugung aber mangelte es ihnen offensichtlich. „Die Mannschaft kennt jetzt die Liga“, sagt Babbel. „Am Anfang war das mehr Erzählen und Reden.“

Dieser Prozess lief nicht ohne Schrammen ab. Im Herbst verlor Hertha in Paderborn und Osnabrück, bei zwei Klubs also, die das maue Zweitligagefühl verkörpern. „Wir haben gesehen, was passieren kann, wenn man sich nicht auf die Liga einlässt“, sagt Babbel. „Aber die Mannschaft hat ihre Lehren gezogen.“ Das ist der größte Unterschied zur Hinrunde, selbst wenn Babbel zuletzt auch spielerische Fortschritte ausgemacht hat. Die Automatismen funktionierten jetzt besser, sagt er. In den drei Begegnungen der Rückrunde hat Hertha zehn Tore geschossen.

Aber auch gegen Union wird nicht die spielerische Klasse allein entscheiden. „Die Laufbereitschaft muss da sein, das Zweikampfverhalten muss stimmen“, sagt Babbel. „Uns erwartet ein Gegner, der hoch motiviert ist und nichts zu verlieren hat.“ Kurz: Auf Hertha wartet ein typisches Zweitligaspiel, aber diesmal weiß die Mannschaft, was auf sie zukommt. Zumindest hofft Markus Babbel, „dass wir aus dem Hinspiel viel gelernt haben“.

 Stefan Hermanns

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