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Sport: Das Prinzip Lienen

Mönchengladbach gewinnt 2:0 gegen den HSV – und verlässt die Abstiegsplätze

Mönchengladbach. Marcel Ketelaer hat ein besonders inniges Verhältnis zu den Fans von Borussia Mönchengladbach. Sie lieben ihn, diesen ein wenig verrückten Linksaußen, der zuletzt nur selten spielen durfte. Gestern Nachmittag sind die Zuschauer auf der Tribüne des Bökelbergs kurz vor Schluss von ihren Sitzen aufgestanden, um Ketelaer bei seiner Auswechslung zu feiern. Vor einem Jahr, beim letzten Spiel des Hamburger SV in Mönchengladbach, war das nicht anders gewesen. Da hatte sich Ketelaer vor der Nordkurve aufgestellt und die Welle initiiert – allerdings trug er damals noch das Trikot des HSV, und in Hamburg ist seine Verbrüderung mit den gegnerischen Fans auf nicht allzu großes Wohlwollen gestoßen.

Gestern konnte Ketelaer ohne schlechtes Gewissen feiern. Beim 2:0-Sieg gegen den HSV hatte er in der zweiten Halbzeit beide Tore vorbereitet, das erste von Marcelo Pletsch mit einem Eckball, das zweite durch ein geschicktes Zuspiel auf Mikael Forssell. „Der HSV hat heute gesehen, dass ich doch noch was kann“, sagte Ketelaer. Und vielleicht kann sich der Verein von seinen Fähigkeiten bald wieder ein genaueres Bild machen; denn Ketelaer ist nur bis zum Ende der Saison an die Gladbacher ausgeliehen. Zurück nach Hamburg möchte er nicht.

Borussias neuer Trainer Ewald Lienen tat nach dem Spiel angesichts dieser Geschichte ein wenig verwundert, „dass ich jetzt schon zum vierten Mal auf Marcel Ketelaer angesprochen werde. Mich interessiert – bei allem Respekt – nicht die Leistung von Marcel Ketelaer, mich interessiert die Leistung der Mannschaft.“ Und die hatte ihn vor allem in kämpferischer Hinsicht zufrieden gestellt. Für Lienen ist das jedoch eine Selbstverständlichkeit: „Eine andere Chance hat man im Abstiegskampf nicht.“ Nach der Niederlage in Bielefeld vor einer Woche scheint es, als hätten die Gladbacher das Anforderungsprofil ihres neuen Trainer inzwischen verstanden: Sie verhalten sich zunächst einmal passiv, ziehen sich weit zurück und greifen erst hinter der Mittellinie an. Lienens Vorgänger Hans Meyer hatte der Mannschaft eine entschieden aktivere Rolle verordnet, wodurch die Gladbacher phasenweise einen recht ansehnlichen Fußball boten. Aber jetzt geht es nicht mehr um Schönheit – es geht um Punkte gegen den Abstieg. Sechs hat die Mannschaft in den drei Spielen mit Lienen geholt, und am Samstag zog sie an Bayer Leverkusen vorbei auf einen Nichtabstiegsplatz. „Die Nummer 1 am Rhein sind wir“, sangen die Gladbacher Fans, was aber weniger an der eigenen Stärke liegt als am atemberaubenden Leverkusener Absturz.

„Borussia hat nicht großartig gespielt“, sagte Hamburgs Stürmer Erik Meijer. Für den HSV reichte es auch so. Nach dem Vorstoß auf Platz vier hatte Torhüter Martin Pieckenhagen bei seinen Kollegen das Gefühl, „dass man sich gesonnt hat im Erfolg, aber wir sind nicht die Mannschaft, die die Möglichkeiten hat, einen Gegner an die Wand zu spielen“. Vor allem die zweite Halbzeit „war grausam“, sagte Pieckenhagen.

HSV-Präsident Bernd Hoffmann hatte am Vorabend eine Initiative gestartet, den kompletten Spieltag wegen des Irak-Krieges abzusagen. Die Spieler hatten dieses Vorhaben auch unterstützt, doch HSV-Kapitän Nico-Jan Hoogma wollte nach der Niederlage lieber nicht mehr darüber reden: „Das hört sich dann an wie eine Entschuldigung.“ Gladbachs Trainer Ewald Lienen, in den Achtzigerjahren in der Friedensbewegung aktiv, sagte: „Wenn wir in der Bundesliga antreten, müssen wir unseren Job machen.“ Lienen wunderte sich ein wenig, „dass ich in den Medien als der große Theoretiker dargestellt worden bin, der zum Generalstreik aufgerufen hat. Was soll das bringen, wenn neun Spiele nicht stattfinden? Wen interessiert das auf der Welt?“

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