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Sport: Das schwedische Modell

Vor den Europameisterschaften in Göteborg boomt die Leichtathletik im Gastgeberland

Cannes ist ein Ort für Stars. Alljährlich im Mai kommen dort an der Cote d’Azur die Größen der Filmbranche zusammen. In dieses Umfeld passen die Top-Stars der schwedischen Leichathletik recht gut. Schließlich verbreiten auch sie viel Glamour. Dank Athleten wie der Siebenkampf-Gigantin Carolina Klüft, den Hochsprung-Weltmeistern Kajsa Bergqvist und Stefan Holm sowie Dreisprung-Olympiasieger Christian Olsson haben die Schweden derzeit auf einen Schlag mehr öffentlichkeitsrelevanten Glanz zu bieten als die deutsche Konkurrenz im gesamten vergangenen Jahrzehnt. Folgerichtig bereiten die schwedischen Trainer ihre mit Spitzenathleten gespickte Mannschaft teilweise noch bis Dienstag in einem Vorbereitungslager an der französischen Mittelmeerküste für die heute beginnende Leichtathletik-Europameisterschaft im heimischen Göteborg vor.

„Wir wollten unseren Sportlern verdeutlichen, welch besonderes Ereignis vor ihnen liegt“, sagt Cheftrainer Thomas Engdahl zur Wahl der fernen Trainingsstätte. „Am besten erreicht man die Köpfe der Athleten durch so eine Aktion wie den Trip nach Cannes.“ Bei Schwedens Anwärtern auf einige der begehrtesten Goldmedaillen der kontinentalen Titelkämpfe erzielt der Ortswechsel die erwünschte Wirkung. Carolina Klüft, die am Wochenende mit dem ersten Schub an Athleten wieder vom Mittelmeer gen Heimat zurückgekehrt ist und heute zum EM-Auftakt in den Siebenkampf einsteigt, bringt den Effekt des Klassenausflugs der schwedischen Athleten jedenfalls ganz simpel zum Ausdruck: „Es ist schon besser, zu so einem Highlight gemeinsam aus dem Ausland einzufliegen als mit der U-Bahn oder dem Zug einfach vors Stadion zu fahren. Das wäre wie bei Stadtmeisterschaften in der Jugend.“

Das Vorbereitungslager in Cannes hat handfeste Vorteile. Die Sonnengarantie bietet die idealen Voraussetzungen für die in dieser Zeit auf dem Programm stehende Regeneration der sensiblen Athletenkörper. „Die Umstände hier sind optimal“, sagt die 23 Jahre alte Klüft, deren Stern vor vier Jahren bei der Europameisterschaft in München aufging. „Die Wärme ist gut für die Muskulatur, und es hebt die Laune, wenn man jeden Tag bei Sonnenschein aufwacht.“

Diese gute Laune brauchen die Schweden, um die Erwartungen in ihrer Heimat erfüllen zu können. Drei Goldmedaillen sind nach Ansicht der Landsleute quasi schon an Klüft, Bergqvist und den nach einer zweijährigen Verletzungspause sensationell in die Dreisprung-Weltklasse zurückgekehrten Christian Olsson vergeben. Weitere Triumphe durch Hochspringer Stefan Holm, Susanna Kallur im 100-Meter-Hürden-Rennen und Carolina Klüft in ihrer besten Einzeldisziplin, dem Weitsprung, werden erwartet.

Für das Selbstvertrauen der schwedischen Leichtathletik dürfte indes auch wichtig sein, welche Resultate darüber hinaus erzielt werden. Yannick Tregaro, 28-jähriger Trainer von Olsson und Bergquist, sagt: „Wir leisten gute Arbeit in Schweden und haben ein riesiges Repertoire an guten Athleten, weil wir im vergangenen Jahrzehnt einen Boom in der Jugend hatten." Ausgelöst wurde dieser Aufschwung durch die Leichathletik- WM 1995 – in Göteborg. Die Erfolge der heutigen Stars haben den Run auf die Leichtathletik-Vereine in den vergangenen Jahren beschleunigt, während im selben Zeitraum in den traditionsreichen Leichathletik-Nationen wie Deutschland oder England die Kinder das Rennen, Springen und Werfen quasi vergessen haben.

Dreispringer Christian Olsson kommt dabei gerade angesichts der Rückkehr der Spitzenleichtathleten ins Ullevi-Stadion eine besondere Bedeutung zu. Als 15 Jahre alter Nachwuchsathlet hat der in Göteborg aufgewachsene Olsson vor elf Jahren noch Programmhefte auf den Tribünen verkauft, bevor er im Folgejahrzehnt jeden Titel gewonnen hat, den es in der Leichtathletik zwischen EM und Olympischen Spielen zu gewinnen gibt. „Für mich als Göteborger ist es ein Riesenerlebnis, nach meinen Verletzungen ausgerechnet hier wieder auf die große Bühne zurückzukehren“, sagt der 26-Jährige. „Es wäre aber zu arrogant, wenn ich von einem Sieg ausginge.“

Auch für Kajsa Bergqvist ist der erneute Gewinn der Goldmedaille das erstrebenswerte Ziel. In den vergangenen Wochen präsentierte sich die 29 Jahre alte Weltmeisterin in bestechender Form und scheiterte mehrfach nur knapp an der Weltrekordhöhe von 2,10 Metern. „Ich bin bereit für diese Höhe. Vielleicht klappt es ja in Göteborg", sagt Bergqvist. Danach kehrt sie übrigens wieder zurück an die Cote d’Azur. Bergqvist wohnt 50 Kilometer östlich von Cannes in Monaco. Eben dort, wo Stars hingehören.

Daniel Meuren[Cannes]

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