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Sport: Das Schweigen des Riesen

Shaquille O’Neal erlebt beim 85:99 gegen Dirk Nowitzkis Mavericks ein persönliches Debakel

Shaquille O’Neals Mundwerk ist gewöhnlich ebenso groß wie sein Körper. Und mit beidem hat er es geschafft, die amerikanische Profi-Basketball-Liga NBA auf der Position des Centers in den vergangenen zehn Jahren zu beherrschen. Doch die zweite Niederlage in der Finalserie gegen die Dallas Mavericks hat den Spieler der Miami Heat verstummen lassen. Nach der 85:99-Niederlage im zweiten Spiel der Best-of-Seven-Serie Sonntagnacht in Dallas verzog sich der „kleine Krieger“, wie es sein Vorname bedeutet, wortlos in die Katakomben. Gerade fünf magere Pünktchen hatte er erzielt, so wenig wie noch nie in einer der 190 Play-off-Begegnung seiner Karriere. Auch sonst war die Statistik ausgesprochen mager: Gerade einen von sieben Freiwürfen getroffen, schlappe sechs Rebounds geholt. Ein Spiel zum Vergessen.

Es war bereits das zweite Mal, dass O’Neal gegen die Mavericks, die ihn mit ständig neuen Verteidigungsvarianten überraschen, keine Chance hatte. Und so langsam drängt sich die Frage auf, ob der Mann mit 35 Lebensjahren seinen Leistungszenit nicht längst überschritten hat. Spott für den Gegner kann er sich jedenfalls nicht mehr leisten. Wie hatte der 2,16-Meter-Mann mit knapp 150 Kilogramm Lebendgewicht, der sich am liebsten den Weg zum Korb mit seinen mächtigen Ellbogen freischiebt und den Ball dann durch den Ring donnert, vor einem Jahr gelästert? Mavericks Center Erick Dampier sei „weich“, so weich, dass er nicht in die Männerliga NBA gehöre, sondern besser bei den Damen der WNBA spielen solle. Sein wahrer Vorname sei wohl nicht „Erick“, sondern „Ericka“, lästerte O’Neal – und außerhalb von Nord-Texas lachten alle mit.

Gerade Dampier aber und sein Teamkollege DeSagana Diop machen ihm nun das Leben auf dem Feld schwer. „Das war eine großartige Teamleistung“, sagte Dirk Nowitzki, „einer alleine kann Shaq nicht stoppen, unsere großen Jungs haben erstklassige Arbeit geleistet.“ Dampier, insgesamt mit sechs Punkten und 13 Rebounds erfolgreich, blieb es nach zwei Minuten im dritten Viertel vorbehalten, mit einem satten Dunk den höchsten Vorsprung seiner Mannschaft (27 Punkte) sicher zu stellen. O’Neal dagegen verbrachte die letzten 15 Spielminuten auf der Bank. Sein Trainer Pat Riley gab sich dennoch alle Mühe, sich vor seinen großen Mann zu stellen. Er habe nur verhindern wollen, dass er sich verletze, nannte Riley als Grund für die Auswechselung – und schob die Schuld für die schwache Vorstellung auf O’Neals Mitspieler. Die hätten mit dem Ball zu wenig anzufangen gewusst.

Allerdings fiel auf, dass es ohne O’Neal für Miami besser lief. Bis auf zwölf Punkte verkürzten die Heat im letzten Spielabschnitt. Der „Miami Herald“ spottete tags darauf prompt, O’Neal habe sich von einem Riesen in seiner Basketball-Ära in „eine 150-Kilo-Wanne voller Wackelpudding“ verwandelt.

Riley ist trotzdem noch optimistisch. Sein Team sei in diesen Play-offs bereits dreimal abgeschrieben worden, sagte der Trainer Miamis. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er sich eine ganze Menge einfallen lassen muss, will er verhindern, dass die Mavericks innerhalb der nächsten drei Partien, die alle in Miami stattfinden, erstmals den NBA-Titel gewinnen. Dallas scheint an jedem Abend einen anderen Helden hervorbringen zu können. In Spiel zwei war es Jerry Stackhouse, der mit drei Dreiern in Folge vor der Halbzeit ein beruhigendes Polster schaffte. Mit 19 Zählern war er am Ende zweitbester Werfer nach Nowitzki und vor Jason Terry mit 16 Punkten. Das dritte Spiel findet am Dienstag statt (3 Uhr, live auf Premiere.)

In Dallas stellen sie sich bereits auf die große Siegesparade ein. „Guckt Euch die Route an, meldet Euch krank im Büro“, frohlockte der Kolumnist der „Dallas Morning News“, „wie groß sind die Chancen, dass Miami hierher zurück kommt? So groß wie die, dass Shaq einen Freiwurf trifft.“ Dessen Quote steht bei traurigen 12,5 Prozent. Was O’Neal weitaus mehr schmerzen dürfte als die Tatsache, dass ihm die Liga 10 000 Dollar Strafe aufbrummte, weil er so wortlos verschwunden ist.

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