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Sport: Das silberne Leuchten

Noch kein Jahr ist es her, da saß Norbert Haug im Albert Park von Melbourne vor einem Monitor und staunte. "Bei Kimi Räikkönen sah ich immer nur grün, eine persönliche Bestzeit nach der anderen", erzählte der Mercedes-Sportchef, bevor der neue McLaren-Mercedes in Barcelona präsentiert wurde.

Noch kein Jahr ist es her, da saß Norbert Haug im Albert Park von Melbourne vor einem Monitor und staunte. "Bei Kimi Räikkönen sah ich immer nur grün, eine persönliche Bestzeit nach der anderen", erzählte der Mercedes-Sportchef, bevor der neue McLaren-Mercedes in Barcelona präsentiert wurde. Die Vorstellung des jungen Finnen bei dessen erstem Formel-1-Rennen hatte ihn derart beeindruckt, dass er Räikkönen in den folgenden 16 Rennen noch intensiver beobachtete. Heute gehört der 22-jährige Neueinsteiger von damals - nach einer Rennsaison im Sauber-Team - zu McLarenMercedes. Neun WM-Punkte hat er auf seinem Konto. Gemeinsam mit David Coulthard und Testfahrer Alexander Wurz durfte er gestern auf dem Circuit de Catalunya den neuen Silberpfeil vorstellen. Ganz offensichtlich war ihm das viel lieber als hinterher allein Fragen beantworten zu müssen. Schüchtern, leise, wortkarg war sein Solo-Auftritt. Ein krasser Kontrast zu dem, was der Nachfolger von Doppel-Weltmeister Mika Häkkinen auf den Grand-Prix-Kursen zu leisten vermag.

"Im Auto fühle ich mich wohler", gab Räikkönen schließlich in kleiner Gesprächsrunde zu. Aber für das Fahren am Limit im neuen MP 4-17 - wie der McLaren-Mercedes 2002 offiziell heißt - wurde er schließlich auch verpflichtet. "Wir sind sehr angetan von seinen perfekten Aussagen nach den Tests, von seinem Speed und seinem Teamgeist", lobt ihn Norbert Haug. Und setzt hinzu: "Und privat ist er sehr redselig. Wir werden alle noch viel Freude an Kimi haben." Freude, das heißt Erfolge. Die kann McLaren-Mercedes brauchen. Mit Siegen konnte das erfolgsverwöhnte Team in der vergangenen Saison nicht wie gewünscht aufwarten. Nicht nur die klare Niederlage in der Fahrer-WM gegen Ferrari-Star Michael Schumacher wirkte nachhaltig, auch der Rang hinter Ferrari in der Konstrukteurs-WM und das eine oder andere Minus gegenüber BMW-Williams. Das soll in der kommenden Saison, die am 4. März in Melbourne beginnt, anders werden. Vor allem der Schotte David Coulthard, der mit 124 Grand-Prix-Rennen und elf Siegen ein Routinier in der Szene ist, gilt als Kandidat für die Krone des Motorsports, den Weltmeistertitel. "Er hat immer unter der Tatsache gelitten, den Weltmeister im Team zu haben", sagte Haug, "aber wenn wir ihm jetzt die richtige Technik geben, kann er befreit sein wahres Können zeigen." In 17 Grands Prix 2001 war der WM-Zweite Coulthard in vier Rennen nicht ins Ziel gekommen, Häkkinen, der Fünfter wurde, verpasste sogar acht Zieleinfahrten.

Viel Zeit bleibt David Coulthard nicht mehr, sich den Traum vom Weltmeistertitel zu erfüllen. Seit 1996 sitzt er in einem McLaren-Mercedes, errang in der vergangenen Saison zwei Siege (Brasilien, Österreich), aber dennoch wurde er öffentlich als Schattenmann eingestuft. Wie sich das ändern soll, erzählte der 30-Jährige: "Ganz einfach, wir müssen vom ersten Rennen an konkurrenzfähig sein, dürfen nicht ausfallen und dann haben wir alle Chancen."

Wie die bessere Technik bei McLaren-Mercedes in dieser Saison aussehen soll, wurde am Rande von Barcelona durch den fleißigen Tester Alexander Wurz (im vergangenen Jahr fuhr er 17 000 Kilometer) vorgeführt. Vor allem vom neuen Reifenpartner Michelin erhofft sich das britisch-deutsche Team Fortschritte. Auch in diesem Zusammenhang hat Teamchef Haug gute Erinnerungen an Melbourne. "1997 traten wir dort erstmals mit Bridgestone an und siegten gleich. Wenn es diesmal auch so läuft ..." Für den Laien besser zu sehen sind einige aerodynamische Korrekturen am Chassis. Vor allem die Frontpartie mit der tief gezogenen, schmalen Nase fällt auf, und hinten die so genannten Flügel, die nicht mehr gerade, sondern geschwungen sind. Getestet wurde das in einem neuen Windkanal. Genau den anderen Weg wird Hauptkontrahent Ferrari diesmal gehen, die Nase wieder ein ganzes Stück höher tragen.

Gegenüber McLaren-Mercedes wird neues Selbstbewusstsein demonstriert. Die Roten aus Maranello hatten bereits öffentlich geäußert, dass sie BMW-Williams mit Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya als ihren Hauptkontrahenten ansehen würden. Während David Coulthard in Barcelona darüber nur schmunzelte, äußerte sich Norbert Haug mit Hintersinn: "Der Weltmeister ist Favorit, also Ferrari. Dann soll ja BMW-Williams kommen, habe ich gehört. Wenn es dann noch irgendwo silbern leuchtet, das sind wir."

Anfang März beginnt der Ernst des Formel-1-Lebens bei McLaren-Mercedes. Der lockere, von viel Humor begleitete Auftritt in Barcelona wird dann einem harten Geschäftsgebaren weichen. Konkurrenz belebt schließlich auch das Autogeschäft. Frei nach einer Aussage von Mercedes-Vorstandsmitglied Jürgen Hubbert: "Wir fahren nicht um Pokale, wir fahren um Kunden." Dies gilt auch im neuen Jahr.

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