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Sport: Das Tier im Trainer

Warum Klaus Toppmöller beim Hamburger SV leidet

Von Karsten Doneck, dpa

Hamburg. Die Rollen sind klar verteilt: Der eine ist unzufrieden, braust auf, staucht seine Angestellten zusammen. Kurz danach tritt der andere auf, beschwichtigt, beruhigt, wiegelt ab. Trainer Klaus Toppmöller, der Aufbrausende, und Sportchef Dietmar Beiersdorfer, die schlichtende Instanz, proben seit einiger Zeit bei der Außendarstellung des Hamburger SV verbal den Doppelpass. „Er ist ein sehr emotionaler Mensch“, sagt Beiersdorfer über den Trainer.

Bei Toppmöller herrscht permanent das Winterschlussverkaufsprinzip: Alles muss raus. Er frisst den Ärger nicht in sich hinein, selten wählt er den diplomatischen Weg. Auf Niederlagen oder schlechte Leistungen einzelner Spieler reagiert er wütend. So stauchte er nach dem 0:1 beim FC Bayern Abwehrspieler Björn Schlicke zusammen, weil der das Gegentor drei Minuten vor Schluss durch einen anfängerhaften Stellungsfehler begünstigt hatte – nicht intern hinter geschlossener Kabinentür, sondern öffentlich.

Nach dem 0:3 am vorigen Samstag bei Hansa Rostock sagte Toppmöller den am Tage danach geplanten Besuch in Kaiserslautern beim 80. Geburtstag von Ottmar Walter, dem Weltmeister aus der 54er-Elf, ab. Stattdessen knöpfte er sich seine Spieler vor. Eine Stunde soll die Standpauke gedauert haben. Toppmöller sprach von „einem Rückfall in die Steinzeit“ und zog einen Vergleich mit Formel-1-Star Michael Schumacher: „Der hat unendlich viel Kohle verdient, ist aber immer noch ehrgeizig genug, seinen Titel zu verteidigen.“ Es sei eine „sehr emotionale Ansprache“ gewesen, sagte der Trainer später.

Den Mann aus Rivenich, der am 23. Oktober 2003 in Hamburg die Trainernachfolge von Kurt Jara angetreten hat, treibt unbändiger Ehrgeiz. In dieser Saison sollten zumindest die zur Uefa-Cup-Teilnahme berechtigenden Tabellenplätze erreicht werden. Doch nach Ansicht des Trainers zieht die Mannschaft da nicht genügend mit. Es sei eine Einstellungsfrage, hat Toppmöller erkannt, gerade bei den jungen Spielern im HSV-Kader vermisse er das unbedingte Wollen. Toppmöller war da als aktiver Fußballer früher ganz anders. „Auf dem Platz war ich ein Tier“, erinnert er sich.

Das Tier im Spieler Toppmöller wütet jetzt manchmal im Trainer Toppmöller. Schon nach dem 1:1 in der AOL-Arena gegen Bochum wurde der Trainer richtig wütend. „Fehlenden Mumm“ beklagte er bei seinen Spielern und maulte: „Wir treten auf der Stelle.“ Und in der „Bild“-Zeitung legte Toppmöller nach. „Alle denken, wir sind ein Kirmesverein“, stand dort von ihm zu lesen. Toppmöller eckt an mit solchen Aussagen. Er will das so. Um aufzurütteln. „Alle sind hier zu schnell zufrieden“, sagt er. Toppmöller darf so reden. „Man kann nicht jedes Wort von ihm auf die Goldwaage legen“, entschuldigt ihn Dietmar Beiersdorfer.

Für die erschreckend leidenschaftslose Vorstellung bei Hansa Rostock soll heute Hertha BSC büßen. Andernfalls, das wissen die HSV-Profis, wird Klaus Toppmöller wohl wieder Tacheles reden. Und Dietmar Beiersdorfer danach antreten, um die Wogen glätten. Alles wie gehabt.

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