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Sport: „Das Urteil ist tot“

Bosmans Anwalt über Tricks und neue Quoten

Herr Misson, wie kam es 1990 dazu, dass Jean-Marc Bosman Sie aufsuchte?

Bosman spielte für den FC Lüttich und wollte nach Dünkirchen in Frankreich wechseln. Das hat nicht geklappt, weil Lüttich eine Transfersumme verlangte, die Dünkirchen nicht zahlen wollte. Bosman fühlte sich in seiner Karriere auch behindert, weil es für Nationalitäten Quoten gab. Bosman hatte gehört, dass ich Experte für die Durchsetzung der freien Bewegung von Arbeitnehmern in der Europäischen Union bin.

Erst 1995 hat der Europäische Gerichtshof Ihnen Recht gegeben.

Die Angeklagten, also der FC Lüttich sowie der belgische Verband und die Uefa haben gekämpft wie verrückt. Ich hatte mit einer schnellen Einigung gerechnet. Inzwischen tun die Verbände alles, um das Urteil zu umgehen. Eigentlich ist das Bosman-Urteil schon wieder tot.

Warum?

Die Regierungen haben ein Interesse an der nationalen Identität der Klubs. Bis 1999, solange der EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert im Amt war, galt das Urteil, denn er hat es durchgesetzt. Für ihn spielte Sportrecht eine wichtige Rolle. Sein Nachfolger aber, Mario Monti, hat sich von den EU-Staaten beeinflussen lassen. Er ließ die Verbände machen, was sie wollten. Ich hoffe, dass die neue Kommissarin Neelie Kroes sich dem Thema wieder verstärkt widmet.

Wie umgehen denn die Klubs das Urteil?

Die Klubs wenden alle möglichen Tricks an, um doch Transfersummen verlangen zu können. Nach dem Bosman-Urteil gilt nur, dass Zahlungen nach Beendigung eines Vertrags illegal sind. Also wird alles getan, damit ein Vertrag nur schwer beendet werden kann, es gibt zum Beispiel hohe Strafzahlungen bei Vertragsbruch. Und die Uefa will jetzt von allen Klubs verlangen, eine Mindestzahl von Spielern zu haben, die im eigenen Land ausgebildet worden sind. Das ist ja fast das Gleiche wie eine Quote für Nationalitäten. Ich warte jetzt darauf, dass weitere Spieler vor Gericht ziehen.

Wäre das nicht auch ein Risiko, weil deren Karrieren dann zu Ende wären?

Ja, die Karriere von Bosman wurde durch den Prozess zerstört. Für die Klubs symbolisierte er Widerstand, so jemanden stellt man ungerne ein.

Was macht er jetzt?

Er lebt von den Entschädigungszahlungen. Ab und zu treffen wir uns. Er ist 41 Jahre alt und geschieden. Leider hat er nur Töchter, keine Söhne – sonst würde ich auf Bosman Nummer zwei hoffen.

Das Gespräch führte Flora Wisdorff.

Luc Misson (53) vertrat Jean-Marc Bosman als Anwalt.

Er führt eine Kanzlei mit 13 weiteren Juristen, die sich auf Wettwerbsrecht und internationales Recht

spezialisiert.

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