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Sport: Das Versprechen eines Boxers

Jürgen Brähmer schlägt Mario Veit k.o. und wird nun um die Weltmeisterschaft kämpfen

Irgendwann nach Mitternacht, als der Boxring in der Rostocker Stadthalle demontiert wird, kommt Jürgen Brähmer in Jeans und Hemd ins Plaudern. „Wieso Druck? Ich hatte keinen Druck“, sagt er und lächelt: „Ich sehe das nicht so Ernst. Boxen ist ein schöner Sport, gut anzusehen, deswegen mache ich ihn.“ Boxen kann einfach sein, für Zuschauer, und Brähmer redet jetzt wie ein Zuschauer, dabei ist er es, weswegen viereinhalbtausend Menschen in die Arena gekommen sind. Für sie und Millionen vor den Fernsehern findet nicht irgendein Boxkampf statt. Dieser Kampf hat eine besondere Vorgeschichte. Und es hätte nicht viel gefehlt, da wäre Jürgen Brähmer, das Jahrhundert-Talent, in der Vorgeschichte stecken geblieben.

Die Vorgeschichte ist 16 Monate alt. Brähmer sollte den damals besser in der Weltrangliste platzierten Mario Veit aus demselben Boxstall Universum schlagen, um an große Kämpfe zu kommen. Das Vorhaben missglückte. Brähmer verlor den Kampf nach Punkten. Seine Karriere drohte in eine Sackgasse zu führen. Eine Karriere, auf die sein Promoter Klaus-Peter Kohl und das ZDF so gesetzt hatten. Trotz allem. Brähmer, ein Stralsunder mit schwieriger Vita, der auch außerhalb des Rings zugeschlagen hatte, war für ein paar Jahre aus dem Verkehr gezogen. Kohl und der Sender hielten fest an ihm, insbesondere während der Haftzeiten. Und dann das.

„Was Besseres konnte ihm nicht passieren“, sagt Brähmers Trainer Michael Timm nach der geglückten Revanche, „das tat zwar einmal weh, aber er hat es kapiert.“ Diesmal dauerte die Vorbereitung 13 statt fünf Wochen. „An der Spitze sind das ja alles Talente, da muss man sich schon ein wenig quälen“, sagt Brähmer. Bisher hatte ihn diese einzige Niederlage gegen Veit gequält.

Der Rückkampf läuft anders. Brähmer ist Rechtsausleger, also Linkshänder. Seine rechte Führhand, der Jab, sticht. Er boxt schneller und variabler als Veit. Als dieser aber in der dritten Runde trifft, durchzuckt es Brähmer. Was dann passiert, ist für Veit nicht mehr ganz erinnerbar. Brähmer entlädt sich. Er lässt ihn ab der vierten Runde nicht mehr aus der Witterung. Mit mächtigen linken und rechten Haken schlägt er hinter die Deckung Veits, und als dieser den Fehler macht und sich aufrichtet, schießt ihn Brähmer mit zwei Geraden ab. Veit sackt am Ringpfosten zusammen. Das war’s.

„Ich war mir so sicher, ich habe gut trainiert, das hat mir eine unglaubliche Sicherheit gegeben“, erzählt Brähmer. Mit dieser Überzeugung kamen wieder seine Vorzüge zum Tragen – schnelles, genaues Boxen, harte Schläge.

Die Karrieren der beiden Boxer werden gegensätzliche Richtung einschlagen. Für den 33 Jahre alten Veit war es der 53. Profikampf und seine vierte Niederlage. Zweimal hatte der Cottbuser um den WM-Titel gegen den Waliser Joe Calzaghe geboxt, zweimal hatte er verloren. Er wird aufhören. Dem 28 Jahre alten Brähmer aber, den es jetzt in den Weltranglisten ganz nach oben spült, gehört die Zukunft im Super-Mittelgewicht. Er hat sich auf den Weg gemacht das einzulösen, was viele Boxfans in ihm sehen, das Versprechen auf eine große Zukunft.

„Stallduelle sind nicht einfach“, sagt Kohl. „Wir können im Super-Mittelgewicht nur mit dem Besten weitermachen“, sagt der Promoter und rechtfertigt das interne Stallduell. Im November kommt es in Cardiff zum Duell zweier Weltmeister, eben jener Clazaghe trifft auf den Dänen Mikkel Kessler, der Markus Beyer den Titel abgeknöpft hatte. Wer ihm besser liege, wird Brähmer gefragt. Beide seien starke Boxer, „aber ich will oben bleiben und ich denke, alles ist machbar“, sagt Brähmer. „Für mich hat es jetzt angefangen, ich stehe gut im Leben, bin aber noch lange nicht da, wo ich sein will.“

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