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Sport: „Das wird ein heißes Rennen“

Ein Besuch bei der Titelverteidigerin Nadine Capellmann vor den Weltreiterspielen in Aachen

Nadine Capellmann sitzt auf ihrem Sofa, ein Guggenheim-Ausstellungskatalog liegtneben ihr, eine Elvis-CD liegt auf dem Tisch – ihre Kürmusik. Der graubärtigeHund Nemo wuselt durch das Zimmer und ihre Pferde, deren Boxen nur wenige Meterentfernt liegen, stecken die Köpfe lieber nicht durch die Türen – es windet kräftig.

Frau Capellmann, Sie gelten bei den Weltreiterspielen in Aachen als Favoritinin der Dressur und sind die Titelverteidigerin. Saßen Sie heute schon auf IhremPferd Elvis?

Wir waren um neun Uhr heute Morgen auf dem Reitplatz, da schien noch die Sonne.Früher mag Elvis nicht, da ist er noch nicht wach genug. Er hat da so seinen Rhythmus.

Wie ging Elvis denn heute?

Sehr, sehr gut. Er war besonders durchlässig.

… was bedeutet, dass er besonders aufmerksam auf die Anweisungen des Reitersreagiert hat …

Das war unser Problem der letzten ein, zwei Turniere. Bei einem Grand Prix kommen die Lektionen alle sehr schnell nacheinander. Die Lektionen selbst beherrscht er alle traumhaft, da brauche ich nicht dran zu feilen. Ich übe halten, Seitengänge, viele Tempowechsel. Dadurch verbessere ich, dass er das, was er machen soll, auf Abruf da macht, wo ich das möchte.

Werden Sie Ihren Titel der Weltmeisterin verteidigen können?

Das hängt nicht von mir alleine ab. Ich werde alles geben, natürlich, und versuche, gut vorbereitet zu sein. Aber Anky van Grunsven schläft natürlich auch nicht. Und die anderen in der deutschen Mannschaft wollen auch gewinnen. Das wird auf jeden Fall ein heißes Rennen.

Worin ist Ihre Kontrahentin Anky van Grunsven besonders stark?

Anky ist eine fantastische Kürreiterin. Reiten und Musik stimmt bei ihr auf den Millimeter.

Und was sind vor allem Ihre Stärken?

Elvis ist nach Gracioso und Farbenfroh das dritte Pferd, das ich in der Mannschaft reite. Mein früherer Trainer Klaus Balkenhol hat immer gesagt, ich wäre eine gute Prüfungsreiterin. Und Elvis hat eigentlich nur Stärken. Er hat viel Schwung, ein tolles Hinterbein, der geht von alleine, auch drei Tage hintereinander, ob es regnet, schneit, ob die Sonne scheint, das ist ein sehr unkompliziertes Pferd.

Sie glauben, dass das Duell van Grunsven – Capellmann statt Werth – Capellmannheißt?

Ach, das ist schwer zu sagen. Beim CHIO-Turnier in Aachen haben alle gesagt, es ist Capellmann – van Grunsven. Jetzt hat Isabell Werth eine gute deutsche Meisterschaft gehabt, jetzt sagen die Leute wieder, das Duell lautet Werth – Capellmann. Keine Ahnung, es sind alles gute Pferde. Vielleicht läuft es auch auf Kemmer – van Grunsven hinaus?

Ein typischer Tag von Nadine Capellmann, der sieht wie aus?

Ich fange um halb neun an zu reiten, so vier Pferde, jedes eine Stunde. Ich reite alleine in der Halle, meist ist die Pflegerin noch dabei und reitet ein Pferd noch Schritt. Dabei läuft Radio, Hits der 80er. Dann ist es ein Uhr, Mittagspause. Nachmittags bin ich dann noch mal im Stall oder habe Büroarbeiten zu erledigen oder so.

Und wie verbringt Elvis einen Tag?

Er frühstückt um sieben Uhr, Kraftfutter und Heu. Um neun Uhr reite ich ihn so anderthalb Stunden. Danach geht Elvis unter das Solarium oder noch ein bisschen in der Sonne spazieren, um zu trocknen. Um zwölf Uhr bekommt er Mittagessen und macht auch noch mal eine Pause, dann legt er sich auch noch mal hin. Und nachmittags wird er geputzt, geht grasen oder spazieren.

Sie haben beim diesjährigen CHIO Aachen den Großen Dressurpreis gewonnen.Danach sagten Sie, es ginge darum, bis zu den Weltreiterspielen Routine zu sammeln.Wie geht das, innerhalb von nur knapp drei Monaten?

In der Zeit geht das natürlich nur begrenzt. Ich fahre natürlich nicht jedes Wochenende auf ein Turnier. Es geht darum, Kleinigkeiten abzustellen, etwa die Einerwechsel zu verbessern …

… das ist die Lektion in der Dressur, bei dem das Pferd bei jedem Galoppsprungabwechselnd das linke und das rechte Vorderbein beginnen lässt …

… da springt er manchmal gern noch nach oben, statt nach vorn, ist richtig weit über dem Boden.

Worin unterscheidet sich das Gefühl vor der heimischen WM im Vergleich zuJerez 2002, als Sie den WM-Titel mit dem Pferd Farbenfroh holten?

Für die Pferde ist es super, wir fahren drei Kilometer und sind da. Für mich ist es sicher etwas ganz Besonderes, in meiner Heimatstadt, in meinem Heimatverein eine Weltmeisterschaft zu reiten.

Mit Farbenfroh war ja jeder Start ein Hoffen und Bangen: Hoffentlich haltendie Nerven. Wie ist das jetzt bei Elvis?

Bei Elvis ist das entspannter. Auch wenn da drei neue Kameras stehen, geht er daran vorbei. Ich weiß, es könnte ein Fehler passieren, aber ich komme ans Ziel. Also reite ich sicherer, souveräner in eine Prüfung herein.

Was waren für Sie persönlich Ihre größten Etappen?

Ein ganz besonderes Gefühl war, als ich das erste Mal in der Mannschaft war und 1997 die Europameisterschaften geritten bin. Dann die Mannschafts-Goldmedaille in Sydney, und dann, als ich Elvis wiederbekommen habe, und nach fünfmal Reiten zum Turnier gefahren bin und wusste: Du hast wieder ein Pferd. Ich wusste vorher nicht, ob das klappt, ob wir uns so nah kommen, dass wir Höchstleistungen bringen können.

Wie haben Sie die Zeit zwischen Jerez und Aachen erlebt? In Jerez wurdenSie Weltmeisterin, dann starb Farbenfroh, 2003 bekamen Sie keinen Mannschaftsplatz,weil Ihr Pferd Gracioso zu alt war. Sie sagten: „Dann kann ich mich auch den ganzenSommer an den Strand legen.“ Von außen sehen die vergangenen vier Jahre nach einemmächtigen Auf und Ab aus.

Das mit dem Strand habe ich gesagt, weil ich sauer war. Es kam aber nie infrage, wirklich die Profilaufbahn aufzugeben. Ein Auf und Ab war es natürlich. Letztlich war Gracioso zu alt und kam nicht mehr infrage. 2004 war ein Hoffen und Bangen, ob Farbenfroh doch noch in Bewegung kommt oder nicht. Elvis hatte an dem Wochenende vorher den Nürnberger Burgpokal gewonnen. Es war der Durchbruch, dass wir ein Team werden. Montags darauf war ich dabei, als Farbenfroh eingeschläfert wurde. Das war traurig, so, als wenn ein Familienmitglied gehen würde.

Dann gab es auch noch den Wechsel von Ihrem langjährigen Trainer Klaus Balkenhol,dem Mannschaftstrainer der Amerikaner, zum damaligen Lebensgefährten Martin Schaudt.Worin unterscheidet sich deren Trainingsstil?

Klaus Balkenhol hat sehr viel Wert auf Rittigkeit gelegt. Sein System baut immer auf das Vorwärtsreiten. Und Martin Schaudt arbeitet über mehr Versammlung. Also immer mehr zurück, zurück, zurück, bis das Pferd loslässt.

Vor wenigen Wochen, in Münster haben Sie sich wegen „Unterschiedlicher Auffassungendes Trainings“ von Martin Schaudt getrennt …

Dieses „Zurück“ war auch im Grunde das, wo ich mit ihm nicht mehr so einer Meinung war. Elvis hat da auch ein bisschen an seinem Schmelz eingebüßt. Das habe ich auch auf Videos gesehen. Ich hab es in Münster dann noch gerettet, der erste Tag war nicht so gut, am zweiten wurde es wieder besser. Gelernt habe ich daraus, dass man nicht abhängig ist von jemandem, der am Boden steht. Dass man sich letztlich auf sich selbst verlassen muss.

Und wer hilft Ihnen jetzt in den Vorbereitungen zu den Weltreiterspielen?

Der Bundestrainer, er kommt einmal die Woche. Ich reite viel alleine, das habe ich aber immer gemacht. Balkenhol war auch nie öfter da, weil er auch sehr eingebunden war.

Ist das jetzt ein sehr unsicheres Gefühl, ohne steten Trainer zur WM anzureisen?

Eigentlich ist es besser als vorher. Ich habe wieder mehr zu meinem Reitstil gefunden. Nach vorne reiten.

Das Gespräch führte Jeannette Krauth.

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