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Sport: David Beckham, Popkönig

Er spielt gut Fußball – aber kann das alles sein? Warum Madrid seinen Star nicht nur auf dem Rasen einsetzt

Sie haben ihn gekauft. Seine Beine, seine Haut, seine Haare, seine Frau, seinen Sex. David Beckham (Foto: AFP) kam nicht als Fußballer nach Madrid. Er kam als Heiliger. Beckham weiß das. Seine Mitspieler wissen es. Und jede halbwegs verständige Fußballfreundin auf diesem Planeten weiß es. Der taktische Widersinn dieses Champion-Transfers war und ist so offensichtlich, dass er jeden Versuch, den Spieler Beckham und seinen (möglichen) Platz im Spielsystem von Madrid ernsthaft zu thematisieren, bereits im Anfang sabotiert.

Mehr als acht Jahre sind mittlerweile vergangen, da Beckhams rechtes Fußgelenk die Fußballwelt erstmals verzückte. Atemberaubend war die zugige Schwebe seiner Flügelwechsel, seine Kopfballflanken prägte ein neuartig zentrifugaler Drall, und seine Freistoßtechnik verhalf der Bestimmtheit des Innenspannstoßes und der Härte des Vollspannschusses zu einer ungekannten, hoch präzisen Synthese.

Im Verlauf dieser acht Profijahre unter Manchesters Trainer Alex Ferguson konnte Beckham sein Fähigkeiten zwar verfeinern, aber nicht eigentlich erweitern. Der selbst angestrebte Entwicklungssprung ins zentrale Mittelfeld blieb ihm in Manchester wie in Englands Nationalelf versagt. Derart rechts beschränkt, stagnierte Beckham die letzten Spielzeiten auf hohem – und weltweit überschätztem – Niveau.

Die luxuslüsternen Madrilenen um „Sportdirektor“ Jorge Valdano wussten deshalb genau, was für einen Spieler sie erwerben und auf dem Feld keinesfalls benötigen würden. Schließlich sind die von Beckham beispielhaft verkörperten Kompetenzen durch Zidane, Figo und Roberto Carlos bereits vollends abgedeckt. Dass es sich bei dem Duo Raul und Ronaldo um den ausgesucht kopfballschwächsten Weltklassesturm aller Zeiten handelt, fügt sich hierbei glänzend ins wirksam unsinnige Einkaufsbild.

Nein, die Frage, weshalb Madrid Madonna Beckham erwarb, will keine Fußball-interne Antwort finden. In diesem Sinne könnte die Saison 2003/2204 der Champions-League-Saison, mit ihrem großen Favoriten Real Madrid im Interessezentrum, für zukünftige Chronisten tatsächlich den Beginn einer neue Ära markieren. Es wäre eine Ära, die von der offensiv zur Schau gestellten, lustvoll bejahten, ja frenetisch gefeierten Loslösung des Fußballs vom spielerischen Platzgeschehen gekennzeichnet ist.

Wären da nicht noch alte und eingesessene Fans wie die im Madrider Estadio Santiago Bernabeu; ausgesuchte, chronisch unbefriedigte Proletariersnobs nämlich, mit einem unbeirrbar geschulten Gespür für das Erhabene im Spiel. Ihre aufmerksame, eigentlich spielbestimmende Sehnsucht nach großem Fußball wird auch diesen neuen Superstar auf dem Rasen verfolgen: mit der gleichen Ehrfurcht wie Zidane, mit der gleichen Ungeduld wie Ronaldo – und womöglich schon bald mit der gleichen Gleichgültigkeit wie Luis Figo.

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